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- Newsletter November 2020 | Nr. 192
- Molekulargenetische Diagnostik der Familiäreren Hypercholesterinämie
Molekulargenetische Diagnostik der Familiäreren Hypercholesterinämie
Zahlreiche charakteristische Komponenten international empfohlener bzw. bereits implementierter Teststrategien zur Diagnose der FH wurden mittels Literatursuche identifiziert: Dazu zählen u.a. die Methode zur Identifikation sogenannter FH-Index-Patient*innen, die klinischen Kriterien zur Diagnosestellung, der Einsatz von GDx sowie Empfehlungen zu Kaskadenscreening und genetischer Beratung. Hier wurden besonders die diversen Strategien zur Identifikation und Diagnose der Index-Patient*innen hervorgehoben, welche opportunistische Ansätze oder organisierte systematische Screenings in nicht-spezialisierten (Primärversorgung) oder spezialisierten (Sekundärversorgung) Settings einschließen. In Österreich ist eine systematisch organisierte FH-Teststrategie derzeit weder formell empfohlen noch tatsächlich umgesetzt. FH-Patient*innen werden in der täglichen Praxis opportunistisch, meist in Folge eines frühzeitigen oder wiederholten kardiovaskulären Events, im Rahmen nicht FH-spezifischer Konsultationen von Hausärzt*innen oder eigeninitiativ, z.B. aufgrund einer positiven Familiengeschichte, identifiziert und diagnostiziert. Ein Kaskadenscreening von unter Risiko-stehenden Familienangehörigen ist in systematischer Form in einem FH-Registerprojekt integriert - die Diagnose erfolgt hier jedoch meist anhand klinischer Kriterien und ohne die Verwendung von GDx. Wie auch in anderen Ländern ist in Österreich eine genetische Beratung vor und nach GDx verpflichtend und muss von Fachärzt*innen für medizinische Genetik oder dem jeweiligen medizinischen Gebiet durchgeführt werden. Die besondere Bedeutung einer informativen nicht-direktiven genetischen Beratung zeigte sich auch in der ethischen Diskussion. Neben der Wahrung der Autonomie und Privatsphäre der Betroffenen, besteht ein erhöhtes Risiko für innerfamiliäre Konflikte, z.B. im Rahmen des Kaskadenscreenings von Familienangehörigen.
Das AIHTA zeigte auf, dass unabhängig von der jeweiligen FH-Teststrategie die (systematische) Implementierung von GDx eine Reihe organisatorischer Herausforderungen mit sich bringt, wie z.B. die Definition von konkreten Handlungsschritten und verantwortlichem Personal, sowie die Bereitstellung genügender und gut ausgebildeter genetischen Berater*innen und deren enge logistische Verknüpfung mit den klinischen und labortechnischen Prozessen der genetischen Diagnose. Überdies kann die organisierte Einführung von GDx zu erheblichen Kostensteigerungen führen, die deutlich über jenen des eigentlichen Tests selbst liegen. Deshalb sollte vor der Umsetzung eine gründliche Effektivitäts- und Kosten-Effektivität-Analyse durchgeführt werden. MW
AIHTA/AT 2020: Genetic Testing in the Context of Familial Hypercholesterolaemia Management: Organisational and Ethical Implications, and Economic Aspects. https://eprints.aihta.at/1281/.