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- Newsletter Februar 2021 | Nr. 194
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Evidenz vs. politischer Aktionismus: REGN-COV2 und Bamlanivimab
Die beiden Antikörper-Medikamente REGN-COV2 (auch Trump-Medikament genannt) und Bamlanivimab wurden im November 2020 von der FDA notzugelassen – wie auch das ebenfalls von Trump propagierte Hydroxychloroquine (Plaquenil®), das sich schon bald als unwirksam bei Covid-19 herausstellte. Trotz der FDA-Notzulassung konstatiert das „US Covid-19 Treatment Guidelines Panel“ (Anfang Februar) insuffiziente Datenlage für beide Medikamente und empfiehlt diese derzeit nur im Rahmen klinischer Studien einzusetzen. Laut der European Medicines Agency (EMA), die derzeit REGN-COV2 in einem „rolling review“ prüft, deuten die vorläufigen Ergebnisse darauf hin, dass der Antikörper-Cocktail (eine Kombination aus 2 monoklonalen Antikörpern: REGN10933 and REGN10987) die Viruslast bei nicht-hospitalisierten Patient*innen reduzieren kann. Auf Basis einer Zwischenauswertung an 275 (von geplanten 6.420 Patient*innen: NCT04425629) Patient*innen einer noch laufenden 3-armigen klinischen Studie zeigte sich eine Viruslastreduktion, sofern verabreicht innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Tagen nach Einsetzen der milden/ moderaten Symptome und nach positivem PCR-Test, aber vor der eigenen Immunantwort der (ambulanten) Patient*innen, die aber ein Risiko für schwere Verläufe haben. Auf ebensolcher Datenlage basiert Bamlanivimab (ebenfalls im „rolling review“ bei der EMA): eine Phase II Studie zeigte an 452 ambulanten Patient*innen – innerhalb eines frühen Zeitfensters - eine raschere Reduktion der Viruslast und eine geringere Inanspruchnahme von weiteren ärztlichen Leistungen (wie Aufnahme ins Krankenhaus: 1,6% vs 6,3% der Patient*innen). Keine Effekte zeigte Bamlanivimab bei bereits hospitalisierten Patient*innen. Nicht unbedeutend ist der logistische Aufwand, da beide Medikamente intravenös (IV) in Spezialkliniken oder Spitälern (also nicht bei niedergelassenen Ärzt*innen oder zu Hause) verabreicht werden müssen und also die ambulanten mild/moderat Kranken eben dorthin kommen/gelenkt werden müssen. Und: auch die Haftung für Nebenwirkungen (Schadenersatzklagen von Patient*innen) werden bei Einsatz von nicht-zugelassenen Medikamenten auf die Öffentlichkeit abgewälzt.
Eine auf Evidenz basierende Empfehlung sei – so die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) oder die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – derzeit nicht möglich. Nur die Anwendung in klinischen Studien (etwa in großen Plattform Studien wie RECOVERY, ACTIV2, in denen beide Therapien in großen Populationen - 2.000 Patient*innen je Therapiearm - geprüft werden) oder als individueller Heilversuch sind angeraten. Die Frage bleibt, ob wir – wegen Covid-19 – mit post-faktischen, von Hoffnung und Emotion statt Evidenz getriebenen politischen Entscheidungen leben müssen, oder ob nicht auch das Abwarten auf Ergebnisse möglich (vonnöten?) wäre. Bleibt noch zu betonen, dass jene 400 Mio. Euro – im Sinne von Opportunitätskosten – nur einmal ausgegeben werden können und mit großer Sicherheit bei Evidenz-basierten Interventionen ohne Öffentlichkeitseffekt fehlen werden.
Priv. Doz. Dr. Claudia Wild, Geschäftsführerin der HTA Austria – AIHTA GmbH
Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Treatment Guidelines: https://www.covid19treatmentguidelines.nih.gov/ (last updated 9. Feb.2021)
AIHTA/ AT 2021: Covid-19: HSS/ Horizon Scanning Living Document (v11 Februar 2021), Policy Brief Nr. 002: https://eprints.aihta.at/1234/