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- Newsletter Juli/August 2021 | Nr. 199
- Editorial: Zweitmeinungsverfahren für Patient*innen in Deutschland: Welche therapeutischen und diagnostischen Prozeduren sind dafür besonders geeignet?
Editorial: Zweitmeinungsverfahren für Patient*innen in Deutschland: Welche therapeutischen und diagnostischen Prozeduren sind dafür besonders geeignet?
Der knappe Bearbeitungszeitraum für einen Rapid Report ohne Vorab-Eingrenzung der infrage kommenden medizinischen Interventionen machte ein pragmatisches Vorgehen erforderlich: Eine Kombination aus systematischer und orientierender Informationsrecherche führte zunächst zu einem Pool von über 30 Eingriffen und Eingriffsarten, die in Europa und Deutschland unter den Stichworten Mengenausweitung und Praxisvariation in den letzten 5-6 Jahren untersucht und diskutiert wurden. Für 23 geeignet erscheinende Prozeduren wurde mit Bezug auf Daten für die stationäre Versorgung aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE) in eigenen Analysen die demografiebereinigte Mengenentwicklung von 2008 bis 2018 ermittelt. Zusätzlich wurden für die 400 Städte und Landkreise in Deutschland Perzentilquotienten als Maß für die regionale Praxisvariation berechnet. Neben diesen beiden auf Literatur und Datenanalyse gestützten Kriterien (Mengenentwicklung, Praxisvariation) wurde die Liste der Eingriffe in einer multikriteriellen Zusammenschau in einer groben Rangfolge danach gruppiert, wie häufig die Eingriffe überhaupt waren und in welchem Ausmaß sie beispielsweise in Notfallsituationen gar nicht planbar sind (z. B. Kaiserschnittentbindungen oder perkutane Koronarinterventionen).
Ergebnis war eine reduzierte Liste, auf der sich 15 Interventionen mit besonders dichten Hinweisen auf die mögliche Geeignetheit für ein Zweitmeinungsverfahren befinden. Für diese Eingriffe wurde in der abschließenden Eingriffsbeschreibung auch das Eingriffsrisiko, die Verfügbarkeit von Behandlungsalternativen und das Vorliegen von systematischen Reviews oder methodisch hochwertigen Leitlinien erörtert. In der Zusammenstellung zeigt sich ein Schwerpunkt bei kardiologischen sowie kardio- und gefäßchirurgischen Prozeduren. Zur Auswahl gehören ferner HNO-Eingriffe, abdominal-chirurgische Operationen, die Prostatektomien bei unterschiedlicher Indikation sowie der Hüftgelenksersatz.
Der G-BA setzt nun seine Auswahlberatungen zu Eingriffen für Zweitmeinungsverfahren auf Basis des Berichts fort. Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) hat bereits öffentlich begrüßt, dass auf der Vorschlagsliste 8 kardiochirurgische oder kardiologische Eingriffe und Untersuchungen stehen, und sich zum Einsatz von Zweitmeinungsverfahren in ihrem Fachgebiet positiv geäußert.
Dr. med. Dipl.-Psych. Jörg Lauterberg, Dipl.-Biol. Corinna Ernsting (MScPH)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – Köln
Referenz: IQWiG (2021): Auswahl von Eingriffen für das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V – Rapid Report. https://www.iqwig.de/projekte/v20-01.html.