Die Spitalsausgaben machen in den meisten einkommensstarken Ländern den größten Anteil der Gesundheitsausgaben aus, so auch in Österreich. Die Ausgaben werden unter anderem dadurch beeinflusst, wie die Leistungen der Spitäler vergütet werden. Das international vorherrschende Vergütungssystem basiert seit vielen Jahren auf diagnosebezogenen Fallpauschalen („diagnoses-related-groups/DRG“). Dabei werden Patient*innen entsprechend ihrer Diagnose in Diagnosegruppen zugeteilt, an die eine definierte Bezahlung geknüpft ist. Mit dieser Fallpauschale sind alle erbrachten Leistungen abgegolten. Üblicherweise gibt es Anpassungen für bestimmte Faktoren, wie Alter, Ko-Morbiditäten oder durchgeführte Prozeduren.
Eine Hamburger Studie hat nun festgestellt, dass sich einige Länder (z.B. Dänemark, Deutschland, England) zunehmend von diesem Vergütungssystem verabschieden, denn es hat mehrere unerwünschte Nebeneffekte: es setzt Anreize, die Anzahl der Spitalsaufnahmen zu erhöhen, selbst wenn die Behandlung in anderen Settings genauso gut und günstiger erbracht werden könnte, ignoriert die Qualität der Behandlung und kann bestimmte Krankenhäuser, z.B. bedarfsnotwendige Anbieter in ländlichen Gegenden, finanziell benachteiligen.
Vier Trends für neue Ansätze zeichnen sich ab: Erstens, der teilweise oder sogar vollständige Ersatz der Fallpauschalen durch fixe Budgets (Globalbudget), die unabhängig vom Leistungsvolumen bezahlt werden; zweitens, add-on Zahlungen für strukturell benachteiligte Krankenhäuser (z.B. solche in ländlichen Gegenden, die für einen möglichst gleichen Zugang aller Einwohner*innen notwendig sind); drittens, „episodenbasierte Vergütung“, bei der alle Anbieter, die in einen Behandlungspfad eines/einer Patient*in eingebunden sind, ein gemeinsames Budget erhalten. Beispielsweise bekommen niedergelassene Ärzt*innen und Krankenanstaltenträger für Voruntersuchung, Operation und Nachbetreuung einer Hüft-OP inkl. aller damit verbundenen Leistungen einen gemeinsamen Betrag; und viertens, konkrete finanzielle Anreize zur Verlagerung von Behandlungen in weniger kostenintensive Settings (z.B. gleiche Bezahlung für eine OP, egal ob sie stationär oder tageschirurgisch erbracht wird). Teilweise wird die Vergütung zusätzlich an vorab definierte Prozess- oder Ergebnisqualitätsparameter geknüpft. Mit Ausnahme der USA gibt es zu diesen Ansätzen kaum Evaluierungen. Die Expert*innen fordern daher, neue Vergütungssysteme zu pilotieren und verpflichtend zu evaluieren, idealerweise im Vergleich mit dem herkömmlichen System.
Das österreichische System der Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung ist in seiner Ausgestaltung sicherlich nicht 1:1 mit anderen Fallpauschalen-Systemen vergleichbar. Im Gegensatz zu Ländern wie z.B. Deutschland war es nie ein DRG-System in Reinform, wodurch manche unerwünschten Effekte (z.B. Unterversorgung in strukturell benachteiligten Gebieten) abgemildert wurden. Ebenso wurden bereits Anreize zu Verlagerung von Leistungen (z.B. in die Tageschirurgie und Spitalsambulanz) integriert, u.a. durch einen international einzigartigen Katalog spitalsambulanter Leistungen. Dennoch treffen einige der beschriebenen Nachteile des Systems ebenso für Österreich zu und eine Weiterentwicklung ist wünschenswert. Eine solche inkl. umfassender Evaluierung ist bis 2025 geplant. Die Frage ist, ob dabei nur an kleinen Schrauben gedreht wird oder ob über eine grundsätzliche Neuorientierung nachgedacht wird. Nötig ist ein Vergütungssystem, dass die integrierte Versorgung (z.B. bei chronischen Erkrankungen) unterstützt und die Primärversorgung und Prävention bestmöglich stärkt. In Österreich kann das nur gelingen, wenn mit dem Thema Krankenanstaltenfinanzierung gleichzeitig die fragmentierte Finanzierung zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich, sowie die Einzelinteressen der verschiedenen beteiligten Gebietskörperschaften substantiell hinterfragt werden und ein am Patient*innenwohl orientiertes Finanzierungssystem des Gesundheitswesens etabliert wird.
Dr. Ingrid Zechmeister-Koss, stellvertretende Institutsleiterin der AIHTA GmbH
Referenzen
Milstein R., Schreyögg J. 2022. Activity-based funding based on diagnoses-related groups. The end of an era? A review of payment reforms in the inpatient sector in ten high-income countries. https://bit.ly/3RBQWiu.
OECD. 2021. Health at a glance: Health expenditure by provider. https://bit.ly/3EcP1xR.
Rudolph E. 2022. Punkterennen. ÖKZ 10/2022. https://www.gesundheitswirtschaft.at/publikation/63-jg-2022-10/punkterennen/.
Für die „Zusammenfassung der Ergebnisse anderer HTA Institutionen“ wurden die Ergebnisse einer aktuellen Studie herangezogen, überprüft und um zusätzliche fünf HTA Institutionen erweitert. Alle HTA Institutionen attestierten den Zulassungsstudien umfangreiche Limitationen und unzureichende Informationen für eine klare Aussage zu Wirksamkeit und Sicherheit. Ein möglicher klinischer Nutzen von Kymriah® und Yescarta® wurde von manchen Instituten in Aussicht gestellt, jedoch werden weitere Studien mit einem längeren Nachverfolgungszeitraum gefordert. Um die Evidenz der Versorgungsstudien zu ermitteln, konnten 12 Beobachtungsstudien (641 Patient*innen) für B-ALL und 17 Beobachtungsstudien inklusive zwei nRCTs (2.105 Patient*innen) für die beiden Lymphomarten (LBCL) identifiziert werden. Die Zulassungsstudien unterscheiden sich von den Versorgungsstudien hinsichtlich der Patient*innencharakteristika, da in ersteren striktere Einschlusskriterien festgelegt wurden. Tendenziell waren die Patient*innen der Zulassungsstudien jünger als in den Versorgungsstudien. Die Wirksamkeitsdaten aus den Versorgungsstudien waren sehr heterogen. Aus den Sicherheitsdaten lässt sich schließen, dass CAR-T Zelltherapien häufig mit teils schweren Nebenwirkungen wie Zytokin-Freisetzungssyndrom, Neurotoxizität, Infektionen und Zytopenien verbunden sind.
Die Evidenz aus den Versorgungsstudien stammt aus unkontrollierten, großteils retrospektiv durchgeführten Studien mit kurzer Nachbeobachtungszeit, heterogenen Kohorten und moderatem bis hohem Verzerrungspotential. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind sehr heterogen und erschweren einen Vergleich mit denen der Zulassungsstudien. Daher können auch durch die Versorgungsstudien die Evidenzlücken aus den Zulassungsstudien nicht geschlossen werden. Aufgrund fehlender RCTs ist der Nachweis einer Überlegenheit der CAR-T Zelltherapien Kymriah® und Yescarta® im Vergleich zu Standardtherapien noch unsicher. AP
AIHTA/AT 2022: CAR-T Zelltherapie: Kontrastierung der Zulassungsstudien mit Daten aus Versorgungsstudien. AIHTA Projektbericht Nr. 146. https://eprints.aihta.at/1415/.
Für die Analyse wurden aus 128 Dokumenten zwölf aus sieben Ländern ausgewählt. Aus den Dokumenten wurden Daten zu folgenden Themenfeldern extrahiert: Informationsmaßnahmen, Prävention/ Gesundheitsförderung, Früherkennung, Behandlung, Telemedizin, Behandlungspfade, Transitionspsychiatrie, gefährdete Patient*innengruppen, Patient*innenbeteiligung, Infrastruktur, Entwicklung/ Ausbildung der Fachkräfte, Implementierung, digitales Fallmanagement, und Datenerfassung/ Versorgungsforschung. Darüber hinaus wurden 121 Indikatoren zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ermittelt. In Österreich gibt es derzeit zwei relevante Strategien (die nationale Strategie zur psychischen Gesundheit, und die Kinder- und Jugendstrategie des Bundes), jedoch keine eigenständige Strategie oder umfassendes Konzept zur Prävention für die psychische Gesundheit spezifisch für Kinder und Jugendliche. Da die beiden bestehenden Strategien aus Österreich die international identifizierten Themenfelder nur in begrenztem Umfang beschreiben, ist die Schaffung einer solchen eigenständigen Strategie für diese Population anzustreben. In dieser Strategie sollte die Förderung psychischer Gesundheit, die Prävention und die Versorgung in einer gemeinsamen Vision integriert sein.
Insgesamt wurden 15 Studien zu sieben Körperregionen und Erkrankungen (Nackenschmerz, Nacken- oder Kreuz-/Rückenschmerz (gemischte Population), Schulterschmerz, Knieschmerz, Fußschmerz, Osteoporose und Fibromyalgie) aus der systematischen Suche eingeschlossen. Zu Kreuzschmerzen stand eine kürzlich publizierte systematische Übersichtsarbeit zur Verfügung. Für die Analyse von Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen wurden zehn Länder (Österreich, Schweiz, Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Norwegen, Portugal und das Vereinigte Königreich) eingeschlossen. Laut Bericht handelt es sich bei Osteopathie um eine sichere Behandlungsform, da kaum Nebenwirkungen berichtet wurden. Es traten überdies keine Verschlechterungen durch osteopathische Behandlungen auf – Nacken- und Kreuzschmerzen konnten sogar verbessert werden. Auch Schulter- und Fußschmerzen können möglicherweise reduziert werden. Die Ergebnisse für alle anderen Körperregionen und Erkrankungen sind aufgrund unzureichender Evidenz nicht schlüssig bzw. wurden keine oder nur unmittelbare Effekte gefunden. Die Heterogenität (z.B. ausführende Berufsgruppen, Behandlungszeitraum, Dauer der Nachbeobachtung, Messinstrumente) der Studien könnte die Ergebnisse – laut Studienautor*innen - beeinflusst haben.
Eine gesetzliche Regulierung der Osteopathie existiert in sieben der zehn analysierten Länder; auch die Berufsbezeichnung „Osteopath*in“ ist in sechs dieser Länder vollständig geschützt. Um als Osteopath*in praktizieren zu dürfen gibt es in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ausbildungsmöglichkeiten, welche sich im Lehrplan unterscheiden. Eine gesetzliche Regulierung des Berufs Osteopath*in ist von entscheidender Bedeutung, um das Vertrauen in die Osteopathie zu stärken und die Sicherheit der Patient*innen zu gewährleisten. Bevor die Kosten für osteopathische Behandlungen rückerstattet werden, ist daher eine Regulierung und der Schutz der Berufsbezeichnung „Osteopath*in“ erforderlich. Durch eine gesetzliche Regelung können somit nur jene Osteopath*innen praktizieren, die eine entsprechende Qualifikation vorweisen können. Basierend auf den gegebenen internationalen Standards müssen die Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen für Österreich angepasst werden. LG
AIHTA/AT 2022: Osteopathie: Wirksamkeit und Sicherheit bei Schmerzen des Bewegungs- und Stützapparates und Übersicht zu Ausbildungs- und Qualitätserfordernissen. AIHTA Projektbericht Nr. 144. Demnächst verfügbar.
Im Zuge der strukturierten Handsuche konnten sechs Demenz-QR in fünf Ländern (Australien, Dänemark, Irland, Norwegen, Schweden) und 46 Qualitätsindikatoren (QI) identifiziert werden. Verschiedene interdisziplinäre Aspekte aus der Organisations-, Evaluations- und Outcome-Forschung sind in den einzelnen Phasen des Aufbaus und Betriebs eines Demenz-QRs von Relevanz: dazu gehören etwa der Planungsprozess, das (methodische) Design des Registers und die Governance-Struktur. Vor allem dem Datenmanagement inklusive dem Mindestdatensatz (MDS) und den abgeleiteten QI, dem Datenschutz, der Analyse und Berichterstattung der Daten und Fragen zur Einwilligung der Registerteilnahme und Qualitätssicherung gilt besondere Aufmerksamkeit.
Bei den identifizierten QI zeigte sich, dass sich diese nur geringfügig über die Register hinweg überschneiden. Die meisten der QI werden nur in einzelnen Registern verwendet, da die Indikatoren-Sets meist gesundheitssystemspezifisch zusammengesetzt sind. Dennoch lässt sich in der Praxis beobachten, dass der Fokus in den QR auf evidenzbasierter und/oder konsensbasierter Qualität der Indikatoren und nicht auf Quantität (möglichst viele Indikatoren) liegt. Zusätzlich stellte sich bei der Einbettung der empirischen Ergebnisse in den Good-Practice-Rahmen heraus, dass Demenz-QRs Systeme sind, die in einem komplexen Umfeld - dem Gesundheitssystem - operieren. Die abgeleiteten Good-Practice-Strategien liefern „lessons learned", die für zukünftige Demenz-QR und für bestehende QR genutzt werden können. CS
AIHTA/AT 2022: Qualitätsregister in der Demenzversorgung: Kartierung von Registern zur Verbesserung der Qualität und Leistungserbringung. AIHTA Projektbericht Nr. 150: https://eprints.aihta.at/1419/
22. bis 24 März 2023
EbM-Kongress 2023
„Gesundheit und Klima - EbM für die Zukunft“
Potsdam
https://www.ebm-netzwerk.de/de/veranstaltungen/termine/ebm-kongress-2023
8. bis 9. Juni 2023
European Implementation Event
Basel
https://implementation.eu/european-implementation-event-2023/
24. bis 28. Juni 2023
HTAi 2023
"The Road to Policy and Clinical Integration"
Adelaide
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Ozren Sehic/OS
AP: Anja Panhuber
CS: Christoph Strohmaier
LG: Lucia Gassner
RJ: Reinhard Jeindl