Die Gesundheit Österreich GmbH hat dazu im Dezember 2016 im Auftrag der EU-Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Studie zu „Big Data in Public Health, Telemedine and Healthcare“ [2] erstellt. Als einer der ersten Schritte wurde gemeinsam mit der EU und mit ExpertInnen aus den Gebieten Gesundheitspolitik, Verwaltung, Gesundheitsdienste-Anbieter, IT, PatientInnen, Telemedizin, Industrie und Wissenschaft folgende Arbeitsdefinition erarbeitet: „Im Bereich Gesundheit bezieht sich “Big Data” auf die elektronische Sammlung, Speicherung und Auswertung umfangreicher (Routine-)Gesundheitsdaten und -informationen. Diese Daten müssen mehreren Zwecken dienen und mehrfach verwendbar sein. Die Zweckbestimmung ist Datenaustausch und -analyse zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und zur Steigerung der Effektivität („Performance“) des Gesundheitssystems.“ Daten, die für eine einzige, wenn auch multizentrische (klinische) Studie gesammelt werden, fallen nicht unter diese Definition.
Basierend auf dieser Definition wurden in der Studie zehn „Gute Praxis“-Beispiele aus verschiedenen EU-Ländern vorgestellt und im Anschluss mit einem Delphi-Verfahren an die Politik gerichtete Empfehlungen erarbeitet.
Die zehn Beispiele sind (ohne Reihung):
Die abgeleiteten Empfehlungen betrafen die folgenden Elemente: 1.) Bewusstsein bei der Bevölkerung und bei der Politik für die Chancen und Gefahren von Big Data im Bereich Gesundheit schaffen, 2.) Ausbildung und Training, 3.) Datenquellen und elektronische Gesundheitsakte, 4) Informationsaustausch, 5.) Anwendungsmöglichkeiten (Applikationen), 6.) Datenanalyse, 7.) Governance, 8.) Technische Standards und Normen, 9.) Finanzierung und Fördermöglichkeiten und 10.) rechtliche Aspekte und Datenschutz.
Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass die öffentliche Hand verstärkt in die Kommunikation zum Thema Big Data einsteigen sollte, um eine einseitige, oft anbietergetriebene und dadurch eventuell „gebiaste“ Darstellung der Potentiale entsprechend auszugleichen. Es wurde auch festgestellt, dass es im Bereich der kritischen Datenanalyse da und dort an qualifiziertem Personal mangelt, da der Fokus derzeit auf Datensammlung liegt.
Mag. Claudia Habl, stv. Abteilungsleiterin Gesundheitsökonomie, Gesundheit Österreich GmbH
[1] Draft Council conclusions on open, data-intensive and networked research as a driver for faster and wider innovation. The Council of the European Union 2015. http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-8970-2015-INIT/en/pdf
[2] Study on Big Data in Public Health, Telemedicine and Healthcare. European Commission, Directorate-General for Health and Food Safety 2016. https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/ehealth/docs/bigdata_report_en.pdf
Ein von der kroatischen Agency for Quality and Accreditation in Health Care and Social Welfare (AAZ) in europäischer Zusammenarbeit verfasster Bericht befasste sich mit der Wirksamkeit und Sicherheit von antibakteriell beschichtetem Nahtmaterial zur Prävention postoperativer Wundinfektionen in der Abdominalchirurgie im Vergleich zu nichtbeschichtetem Nahtmaterial. Zur Bewertung der Wirksamkeit von Triclosan-beschichtetem Nahtmaterial lagen 7 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) vor, zur Bewertung der Sicherheit wurden zusätzlich 7 nicht-randomisierte Studien eingeschlossen. Es gab keine RCTs zu Chlorhexidin-beschichtetem Nahtmaterial.
Die Metaanalyse (Daten aus 7 RCTs mit moderater Studienqualität) zeigte, dass Triclosan-beschichtetes Nahtmaterial das Risiko postoperativer Wundinfektionen im Vergleich zu nichtbeschichtetem Nahtmaterial statistisch signifikant reduziert (OR=0,65 [95% CI: 0,44; 0,96], 61%). Die abdominale Wunddehiszenz wurde in 2 RCTs untersucht, in beiden war sie in der Interventionsgruppe statistisch signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Für die Endpunkte Mortalität, Länge des Spitalsaufenthalts, Auftreten von Narbenhernien und Lebensqualität zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Intervention und Kontrolle. Lediglich ein RCT untersuchte Nebenwirkungen als Studienendpunkt: Unterschiede in der Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen zwischen Interventions- und Kontrollgruppe waren statistisch nicht signifikant (146/583 vs. 138/602, p=0.39), wobei die Anastomoseninsuffizienz die häufigste Nebenwirkung darstellte (39 vs. 34). Zwei weitere RCTs sowie 2 nicht-randomisierte Studien beschrieben auftretende Nebenwirkungen: Systemische schwere Nebenwirkungen, beschrieben in 3 Studien, waren nicht statistisch signifikant verschieden und großteils nicht interventionsbezogen. Lokale postoperative Entzündungen waren in der Kontrollgruppe eines RCT signifikant erhöht, ein anderer RCT berichtete von signifikant erhöhter Häufigkeit auftretender Hämatome in der Interventionsgruppe. Kein signifikanter Unterschied zeigte sich bei Schwellungen, Rötung oder Seromen.
Auch wenn die Metaanalyse eine statistisch signifikante Reduktion postoperativer Wundinfektionen durch Triclosan-beschichtetes Nahtmaterial zeigen konnte, so fehlen für Chlorhexidin-beschichtetes Material jegliche Daten. Die Daten zur Sicherheit antibakteriell beschichteten Nahtmaterials sind für Triclosan-beschichtetes Nahtmaterial sehr eingeschränkt und fehlen für Chlorhexidin-beschichtetes Material gänzlich. JM
AAZ/ HR 2017: Antibacterial-coated sutures versus non-antibacterial-coated sutures for the prevention of abdominal, superficial and deep incisional, surgical site infection (SSI). Demnächst verfügbar unter: http://www.eunethta.eu/outputs
In der Kardiologie werden je nach Krankheitsbild unterschiedliche Aggregate implantiert: Bei niedriger Herzfrequenz kommt ein Herzschrittmacher zum Einsatz. Bei Kammertachyarrhythmie - eine Kombination aus Herzrhythmusstörung und schnellem Herzschlag - kommt ein implantierbarer Kardioverter Defibrillator (ICD) zur Anwendung, bei herzinsuffizienten PatientInnen hingegen ein Kombinationsaggregat (CRT-D), welches die Funktion eines ICD mit einem speziellen Schrittmachersystem – einer sogenannten kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) - verbindet. Zur Übertragung der Messdaten zur Ärztin/zum Arzt ist ein mit dem Aggregat kommunizierendes Übertragungsgerät, welches sich außerhalb des Körpers befindet, erforderlich. Dieses Gerät empfängt die vom Aggregat gesendeten Daten und überträgt diese via Telekommunikation an den Server des Aggregat-Herstellers, auf den die Ärztin/der Arzt einen externen Zugriff hat. Die Datenübertragung erfolgt höchstens einmal täglich, kann aber auch in anderen Intervallen programmiert werden. Eventuelle Alarme werden direkt an die Ärztin/den Arzt per Email/SMS übertragen. Sie sind z.B. für das Erreichen bestimmter Schwellen von Häufigkeiten/Dauern bestimmter klinischer Episoden programmierbar. Häufig sind Alarme mit dem Versagen der Datenübertragung für längere Zeiträume verbunden.
Ziel des MDS (Medizinischer Dienst der Spitzenverbände)- Berichts war, die Evidenz über Wirksamkeit und Sicherheit der telemedizinischen Überwachung von PatientInnen mit implantierten kardiologischen Aggregaten zusammenzufassen und zu bewerten. Die im Bericht untersuchten Systeme waren keine Notfallsysteme. Als Kontrollintervention diente die herkömmliche Nachsorge mit persönlichem Kontakt beim Arzt/Ärztin oder in der Klinik. Die systematische Literatursuche konnte 11 RCTs identifizieren. Untersuchte Endpunkte waren: Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Mortalität, Schlaganfälle, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (MAE), kardiovaskulär bedingte Krankenhauseinweisungen, klinische Verschlechterung, inadäquate Defibrillationsschocks, Lebensqualität und Ressourcennutzung.
Insgesamt konnten für das Telemonitoring/die Telenachsorge keine Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Vorgehen gefunden werden. Es konnte nur für einen Endpunkt, nämlich für MAE (dieser enthielt Mortalität im Kombinationsendpunkt), ein signifikanter Vorteil in der Meta-Analyse der ICD/CRT-D-Studien gezeigt werden. Dieses Ergebnis war aber von einer einzigen Studie abhängig (IN-TIME Studie), die aufgrund mehrerer Charakteristika eine Ausnahme darstellte (z.B. mindestens wöchentliche Televisite, Back-up-Team für betreuende ÄrztInnen etc.). Diese Studie war überhaupt die einzige, die statistisch signifikante Vorteile des Telemonitoring gegenüber dem herkömmlichen Vorgehen gezeigt hat. Abzuwarten bleibt hier, ob diese Ergebnisse in anderen Studien wiederholt werden können. Das Verzerrungspotential wurde in allen Studien als hoch angesehen. Weiters bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Publikationsbias – d.h. eine statistisch verzerrte Darstellung der Datenlage aufgrund einer bevorzugten Veröffentlichung von Studien mit positiven oder signifikanten Ergebnissen. Daher konnte nach derzeitiger Datenlage keine Empfehlung zur flächendeckenden Einführung des Telemonitorings oder der Telenachsorge abgegeben werden.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im März 2017 mit einem Bericht zum Telemonitoring mithilfe von aktiven kardialen implantierbaren Aggregaten bei ventrikulärer Tachyarrhythmie sowie Herzinsuffizienz begonnen. SE
MDS/ DE 2015: Telemedizinische Überwachung von Patienten mit implantierten kardiologischen Aggregaten. https://www.g-ba.de/downloads/40-268-3742/2016-04-21_Einleitung-Beratungsverf-135_Telem-aktive-kardiale-Aggr_Gutachten.pdf
Ein 2017 veröffentlichter Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) befasst sich mit TLD bei mittel- bis schwergradiger COPD. Es wurden 4 abgeschlossene Studien zum Vergleich zwischen der Behandlung mit ausschließlich TLD, mit ausschließlich medikamentöser Therapie oder TLD in Kombination mit einer reduzierten medikamentösen Therapie eingeschlossen. In den Studien kommen zwei Generationen von Kathetern sowie verschiedene Varianten der Prozedur mit verschiedenen Energiedosen (15-20 bis zum 32 Watt) zum Einsatz. Zwei Studien beziehen sich auf frühere TLD-Varianten (Energiedosis 15-20 Watt), die heutzutage nicht mehr angewendet werden. Die aktuellste und derzeit eingesetzte Variante heißt Prozedur 3.0 und arbeitet mit einer Energiedosis von 32 Watt. Es wurden daher nur Studien mit dieser Variante berücksichtigt.
Nur eine Studie lieferte Ergebnisse zur Prozedur 3.0, jedoch bezogen sich diese nur auf die PatientInnensicherheit. Eine weitere Studie stellte Ergebnisse dar, die übertragbar auf die Prozedur 3.0-Variante wären, jedoch liegen diese unvollständig und unklar vor. Es gab keine statistisch signifikante Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und die Ergebnisse zur körperlichen Belastbarkeit fehlten. Zur Sicherheit der TLD liegen widersprüchliche Ergebnisse vor, die sich nur auf wenige PatientInnen und eine kurze (ein Monat) Nachbeobachtungszeit beziehen. Es wurde eine hohe Rate von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, darunter Gastroparesen und Trachealfistel, beobachtet. Die Daten erlaubten keinen direkten Vergleich zwischen PatientInnengruppen mit und ohne TLD-Behandlung, insgesamt berichteten die Studien die Ergebnissen unvollständig und möglicherweise selektiv, was bedeutet, dass eine Bewertung der TLD nicht möglich ist. Es konnte daher kein Nutzen der TDL nachgewiesen werden und es ist derzeit unklar, ob TLD eine mögliche Behandlungsalternative zur medikamentösen Therapie darstellt. JE
IQWiG/ DE 2017: Gezielte Lungendenervierung durch Katheterablation bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. https://www.iqwig.de/download/H16-01_Gezielte-Lungendenervierung-bei-COPD_Bewertung-137h-SGB-V.pdf
Rund sieben Prozent der über 16-Jährigen der 28 EU-Staaten haben „unmet needs“ für medizinische Versorgung und Therapie, schätzte Eurostat für 2014. Diese Bedarf zu definieren, zu messen und letztlich zu budgetieren stellt eine Herausforderung für Gesundheitssysteme dar. Das CHE versuchte diese Fragen anhand der derzeitig verfügbaren Evidenz mit Hilfe einer Literaturanalyse zu beantworten, um Leitlinien zu identifizieren. Das KCE hingegen prüfte die Anwendung einer Multikriterienanalyse, um „unmet needs“ zu identifizieren und zu bewerten.
Um beurteilen zu können, ob die derzeitig verfügbare Evidenz für „unmet needs“ ausreicht, um Allokationsentscheidungen zu informieren, entwickelte das CHE ein Rahmenkonzept mit vier Hauptmerkmalen: Die Literatur sollte 1.) einen Nachweis für „unmet needs“ einer bestimmten Studienpopulation enthalten, 2.) für Interventionen, wie dieser Bedarf vom Gesundheitssystem adressiert werden könnte, 3.) angeben, ob die Hindernisse zur Erfüllung des Bedarfs ihre Ursache auf der Nachfrage-, oder Angebotsseite haben und 4.) adäquate Indikatoren vorweisen, wie diese gemessen und beobachtet werden könnten, um Informationen für Budgetpläne zu liefern. Die analysierte Literatur zeigte, dass die derzeitige Evidenzlage zu „unmet needs“ sehr dürftig ist, wobei keine der gefundenen Studien alle vier Kriterien des Rahmenkonzeptes erfüllte. Die meisten Studien beschäftigen sich mit der Definition und dem Nachweis von „unmet needs“ einer bestimmten Population. Die wenigsten bezogen sich auf die Messung des Bedarfs, um diese für die Erstellung eines Finanzierungsplans implementierbar zu machen.
Das KCE untersuchte die Anwendbarkeit einer Mehrkriterienanalyse (Multi-criteria decision analysis), um „unmet needs“ anhand ihrer Gesellschaftsrelevanz zu identifizieren, zu bewerten, und daraus Schlüsse für Erstattungs-, und Finanzierungsentscheidungen ziehen zu können. Das Ergebnis der Analyse zeigte, dass die Mehrkriterienanalyse ein transparentes Model wäre, um therapeutischen Bedarf zu bewerten, anhand dessen Erstattungsentscheidungen getroffen werden könnten. Das Model erlaubt außerdem eine Unterscheidung zwischen Interventionen, die einen zusätzlichen Nutzen haben und einen therapeutischen oder sozialen Bedarf zu decken, und Interventionen, die zwar einen zusätzlichen Nutzen hätten, allerdings weder sozialen noch therapeutischen Bedarf (möglicherweise aber Bedürfnisse) abdecken. KH
CHE/ GB 2017: Defining and measuring unmet need to guide healthcare funding: identifying and filling the gaps. CHE Research Paper 141. https://www.york.ac.uk/media/che/documents/papers/researchpapers/CHERP141_need_healthcare_funding.pdf
KCE/ BE 2016: Multi-criteria decision analysis for the appraisal of medical needs: a pilot study. KCE Reports 272. https://kce.fgov.be/sites/default/files/page_documents/KCE_272_Unmet_needs_Report2.pdf
02.-05. Mai 2017
Workshop Introduction to Health Technology Assessment
Hall in Tirol / Österreich
11.-12. Mai 2017
20. wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Public Health (ÖGPH)
Eisenstadt / Österreich
16. Mai 2017
Kongress Integrierte Versorgung: „Aufbruch zu bekannten Wegen“
Linz / Österreich
https://www.fh-ooe.at/kongresse/2017/iv-kongress/
17.-21. Juni 2017
HTAi 2017 Annual Meeting
Rom / Italien
21.-22. Juni 2017
5. Europäisches Forum für Evidenzbasierte Gesundheitsförderung und Prävention
Krems / Österreich
4. -5. Juli 2017
SV-Wissenschaft-Werkstatt: Innovation- die Krankenversorgung neu denken
Linz/ Österreich
04.-06. Oktober 2017
Deutscher Kongress für Versorgungsforschung
Berlin / Deutschland
01.-04. November 2017
10th European Public Health Conference: Sustaining resilient and healthy communities
Stockholm / Schweden
14. November 2017
4. Symposium Gesundheit: Ökonomischer Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung – für wen rechnet sich Gesundheit?
Krems / Österreich
Mai
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Philipp Petersen/ PP
JM: Julia Mayer
SE: Sabine Ettinger
JE: Judit Erdös
KH: Katharina Hawlik