Mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes haben die Arbeitsgruppen (AG) Informationsfreiheit (IFG) und Gesundheit von Transparency International (TI) Deutschland Zugang zu bisher unter Verschluss gehaltenen Meldungen zu Umfang und Anlass für AWBs gerichtlich gegenüber der KBV und dem BfArM durchgesetzt, der GKV Spitzenverband erteilte die gewünschten Auskünfte unverzüglich, allerdings wurden die Honorare an die ÄrztInnen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen und ausgespart. Die von TI im Jahr 2011 gestellten gleichlautenden Anträge zu den AWB-Meldungen fragten nach
Zwei rechtskräftige Urteile wurden von Transparency vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Juni 2012 gegenüber der KBV und im Juli 2014 vor dem VG Köln gegenüber dem BfArM zur Herausgabe der AWB-Informationen erstritten. Die Listen des GKV Spitzenverbandes und die von der KBV überlassenen Aktenkopien mit insgesamt 6.925 Seiten konnten von den AGs IFG und Gesundheit vollständig ausgewertet werden. Die Transparency laut Gerichtsurteil zustehenden Informationen des BfArM hingegen sind bisher lediglich in Form von Teilauskünften, in einem vergleichsweise schleppenden und mühsamen Verfahren, eingegangen, Ende offen...
Ein langer Weg also, der sich aber gelohnt hat: erstmals konnten die gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen an die drei unterschiedlichen Institutionen verglichen werden. Resultat: erschreckend. Die mittlerweile vorliegenden gemeldeten Daten weichen erheblich voneinander ab: unterschiedliche Anzahlen, unvollständige Meldungen, fehlende Beobachtungspläne (ab 2009 gesetzlich vorgeschrieben), fehlende ÄrztInnen-, PatientInnen- und Honorarangaben. Es erfolgten seitens der Institutionen kein Abgleich untereinander und kaum Beanstandungen gegenüber den Meldenden.
Der Aufwand für die AWBs ist hoch: In den drei untersuchten Jahren (2008-2010) war die Teilnahme von insgesamt über einer Million PatientInnen und 126.764 ÄrztInnen (Mehrfachnennungen möglich) in den gemeldeten AWBs vorgesehen. Dafür veranschlagt wurden rund eine halbe Million allein an Honorarkosten pro AWB, für den/die einzelne/n Arzt/in belief sich das durchschnittliche Honorar auf rund 19.000 Euro.
Damit sind AWB ein Instrument unzulässiger Einflussnahme auf ÄrztInnen.
Der wissenschaftliche Nutzen für die Allgemeinheit ist gleich Null, der Schaden hoch: Die Transparenz über Ergebnisse, eine verlässliche öffentliche Registrierung oder Veröffentlichungen der Ergebnisse ist nicht gegeben. Die in AWB erhobenen Daten unterliegen der vertraglich vereinbarten Geheimhaltung und sind Eigentum der Sponsoren.
Die Schlussfolgerung aus drei Jahren mühsamer Arbeit von Transparency lautet: AWB sind keine Forschung sondern Korruption.
Dr. Angela Spelsberg, Arbeitsgruppe Gesundheit und Koordinatorin der Projektgruppe AWB, TI-DeutschlandDerzeit sind etwa 40 Einrichtungen weltweit (14 in Europa), die Hadronentherapie anbieten, in Betrieb. 25 weitere (9 in Europa) sind in Bau und werden in den nächsten Jahren in Betrieb gehen. Anfang 2015 ging das österreichische Zentrum Med-Austron in Wiener Neustadt in Betrieb. In den nächsten 3–5 Jahren wird sich die Kapazität in Europa etwa verdoppeln. Aus diesem Grund verfasste das LBI-HTA bereits 2013 eine Evidenzübersicht zu allen potentiellen Indikationen, die für Protonentherapie in Frage kommen. In Belgien – auch dort wird über den Bau eines Hadronenzentrums nachgedacht – befasste sich nun nur mit der Evidenz zu 15 pädiatrischen Indikationen. Es konnten insgesamt 21 klinische Studien zu den Indikationen gefunden werden. Abseits der Studiendesigns (nicht-randomisiert, nicht-kontrolliert und zumeist retrospektiv) der Studien – mit den für diese Art von Evidenz charakteristischen Einschränkungen (z.B. Selektionsbias, Recall-Bias) –, zeigten alle Studien schwere methodische Mängel (u.a. kleine Stichproben, lange Zeiträume beim Einschluss der PatientInnen, unterschiedliche Behandlungsschemata, kurze Follow-ups, Berichterstattung oder Dokumentation von Komplikationen nur bei einem Teil der PatientInnen). Unter Anwendung von GRADE ist die wissenschaftliche Beweislage für alle Ergebnisse in allen Indikationen war sehr gering. Die Ergebnisse zeigen, dass in 13 von 15 Indikationen die Evidenz unzureichend ist, um Aussagen zugunsten oder gegen Hadronentherapie zu machen. In 2 Indikationen liegt sehr niedrige Evidenz, die für Gleichwertigkeit zwischen Protonentherapie und IMRT/ Intensitätsmodulierte Strahlentherapie beim Craniopharyngioma, resp. einem geringeren Risiko für Sekundärtumore beim Retinoblastom spricht, vor.
Die Schlussfolgerung lautet dementsprechend, dass weiterhin klinische Daten zur Protonentherapie in allen untersuchten pädiatrischen Krebserkrankungen zur langfristigen Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen fehlen. Nur bei sehr wenigen Tumoren ist die Protonentherapie wegen der in hohem Maße vorhersehbaren ernsthaften Schäden bei anderen Formen der Strahlentherapie als einzige Behandlungsmethode möglich. In den meisten Fällen gibt es eine Wahl. Die Hoffnungen auf bessere klinische Ergebnisse mit Protonentherapie sind bislang weiterhin nicht belegt, so das belgische HTA. CW
KCE/ BE 2015: Hadron therapy in children – an update of the scientific evidence for 15 paediatric cancers. https://kce.fgov.be/sites/default/files/page_documents/KCE_235_Hadron%20Therapy_Report.pdf
LBI-HTA/ Ö 2015: Hadronentherapie bei Kindern. Evidenzsynthese zu 15 pädiatrischen Tumoren. Kontext zum belgischen HTA-Bericht. https://eprints.aihta.at/1049/
LBI-HTA/Ö 2013: Hadronentherapie: Protonen- und Kohlenstoff-Ionen. Eine Übersicht: Refundierungsstatus, Evidenz und Forschungsstand. https://eprints.aihta.at/1021/1/HTA-Projektbericht_Nr.74.pdf
Die Forschungsfragen umfassten organisatorische und finanzielle sowie Aspekte der Qualitätssicherung und wurden mit einem Methodenmix aus Routinedatenanalyse, Kostenabschätzung, Literaturreviews, Fokusgruppen und Interviews bearbeitet. Ziel war die Formulierung konkreter Policy-Empfehlungen.
Der KCE-Bericht empfiehlt beispielsweise, multidisziplinäre Netzwerke für die Betreuung der Mutter und des Kindes mit einer zentralen Ansprechperson/KoordinatorIn (z.B. Hebamme, GynäkologIn, AllgemeinmedizinerIn) von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett zu implementieren. Die Koordination und Kommunikation innerhalb dieser Netzwerke soll über webbasierte Tools erfolgen. Nach komplikationsloser Entbindung und einem Spitalsaufenthalt von max. 72 Stunden soll die weitere Wochenbettbetreuung bis idealerweise 10 Tage nach der Geburt zuhause stattfinden. Bereits während der Schwangerschaft soll diese Betreuung mit den werdenden Eltern besprochen und organisiert werden. Weitere Empfehlungen des KCE-Berichts betreffen die Entwicklung und Implementierung evidenzbasierter Leitlinien für die Wochenbettbetreuung, die Definition von Qualitätskriterien sowie die Implementierung einer Plattform aller in die perinatale Betreuung involvierter Gesundheitsberufe und Organisationen.
Die 10 ausgearbeiteten Policy-Empfehlungen sollen nun in einem weiteren Schritt in konkrete Aktionen umgesetzt werden, um eine flächendeckende hochqualitative Wochenbettbetreuung mit besonderer Berücksichtigung vulnerabler Familien zu erreichen. IR
KCE/ BE 2014: Caring for mothers and newborns after uncomplicated delivery: towards integrated postnatal care. https://kce.fgov.be/sites/default/files/page_documents/KCE_232Cs_Postnatal_care_Synthesis_3.pdf
OECD. Health at a glance. http://www.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/average-length-of-stay-childbirth_l-o-s-childbirth-table-en
Grundsätzlich sind doppelt-blinde, randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) auch bei seltenen Erkrankungen als Goldstandard anzusehen. Um deren Aussagekraft bei seltenen Erkrankungen zu steigern, gibt es Möglichkeiten der Modifikation, wie zum Beispiel die Anwendung von randomized withdrawal designs oder three-stage designs. Des Weiteren können adaptive Designs oder N-of-1 Studien die geeignete Methode zur Evaluierung einer Intervention darstellen. Krankheitsregister können zur Schaffung von quantitativen Voraussetzungen für aussagefähige klinische Studien genützt werden. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur Studiengrundlage für die Zulassung von Orphan Drugs in Europa zeigten, dass zwischen 2001 und 2013 für die Behandlung seltener Erkrankungen 85 Arzneimittel mit europäischer Orphan Drug Designation und europäischer Marktzulassung zur Verfügung standen. Ein Großteil der den Zulassungen zugrunde liegenden Studien waren RCTs, sodass die grundsätzliche Machbarkeit nicht infrage gestellt werden sollte.
Basierend auf den Ergebnissen schlussfolgern die AutorInnen, dass „eine Begründung für eine unterschiedliche Herangehensweise bei der Bewertung von medizinischen Interventionen für seltene gegenüber nicht seltenen Erkrankungen wissenschaftlich nicht abgeleitet werden kann“. Die AutorInnen halten hinsichtlich der Aussagesicherheit, Kompromisse in den Bereichen statistisches Irrtumsniveau, externe Validität oder interne Validität für denkbar. ER
IQWiG/ D 2014: Rapid Report: Bewertung und Auswertung von Studien bei seltenen Erkrankungen. https://www.iqwig.de/download/MB13-01_Rapid-Report_Studien-bei-seltenen-Erkrankungen.pdfFacey K et al. 2014: Generating Health Technology Assessment Evidence for Rare Diseases. Int J TAHC, FirstView: 1-7.
Eine Literaturanalyse im Auftrag der Amerikanischen Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) ging der Frage nach, ob die Wirksamkeit von Entscheidungshilfen zur Früherkennung bzw. Frühbehandlung von Krebs vom Krebsrisiko der AnwenderInnen oder vom Inhalt bzw. dem Format der Entscheidungshilfen beeinflusst wird. Auf Basis einer systematischen Literatursuche in fünf Datenbanken im Juni 2014 wurden 68 randomisiert kontrollierte Studien mit rund 25.000 TeilnehmerInnen eingeschlossen. Die zwischen 1995 und 2014 publizierten Studien analysierten die Effekte von 55 Entscheidungshilfen unterschiedlichen Formats. Parallel zur technischen Entwicklung der letzten Jahre zeigte sich eine Zunahme der internet-basierten Entscheidungshilfen.
Die AutorInnen fanden starke Evidenz dafür, dass Entscheidungshilfen das Wissen der Betroffenen erhöhen, ohne den Entscheidungskonflikt oder die Ängstlichkeit zu verstärken. Weiters zeigte sich moderate bis geringe Evidenz dafür, dass AnwenderInnen häufiger informierte Entscheidungen treffen, eine bessere Risikoeinschätzung haben, die Entscheidung eher ihren Wertevorstellungen entspricht und sie seltener unentschlossen bleiben. Diese Effekte wurden unabhängig von der Population, den Inhalten bzw. spezifischen Eigenschaften der Entscheidungshilfen oder der methodologischen Qualität der Studien beobachtet. Zu anderen potentiellen Effekten (z.B.: Einflüssen auf die PatientInnen-ÄrztInnen Kommunikation, die PatientInnenzufriedenheit, die Konsultationsdauer oder die Kosten) fanden die AutorInnen keine oder unzureichende Informationen, um allgemeine Aussagen treffen zu können. BP
AHRQ/ US 2014: Decision Aids for Cancer Screening and Treatment. Comparative Effectiveness Review No. 145. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmedhealth/PMH0072012/pdf/TOC.pdf
LBI-HTA in Kooperation mit TI-AC/ Transparency International – Austrian Chapter Veranstaltung
„Betrug, Korruption und Verschwendung im Gesundheitswesen: The EHFCN Typology“
Dienstag 3. März 2015, 16:00 bis 18:00
Bibliothek in der Gesellschaft der Ärzte, Frankgasse 8, 1090 Wien
Anmeldungen an office@hta.lbg.ac.at
http://hta.lbg.ac.at/page/betrug-korruption-und-verschwendung-im-gesundheitswesen-the-ehfcn-typology
13. - 15. März 2015
16. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e.V.
”EbM zwischen Best Practice und inflationärem Gebrauch”
Berlin/ Deutschland
16. - 17. März 2015
7. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie 2015
”Gesundheit in den Regionen – zwischen Versorgungsanspruch und Kostenverteilung”
Bielefeld/ Deutschland
http://www.dggoe.de/konferenzen/2015/
13. - 14. April 2015
”Entscheidungen am Lebensende und ihr Kontext” – Medizinethische und empirische Forschung im Dialog
Graz/ Österreich
4. - 5. Mai 2015
Workshop ”Medizinische Statistik für Nicht-StatistikerInnen”
Donau-Universität Krems Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie
Krems an der Donau/ Österreich
http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/medizinische_statistik/index.php
12. - 13. Mai 2015
Workshop ”Systematische Literaturrecherche”
Österreichische Cochrane Zweigstelle
Krems an der Donau/ Österreich
http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/systematische-literaturrecherche/index.php
28. - 29. Mai 2015
18. wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Public Health
St. Pölten/ Österreich
14. – 17. Juni 2015
Annual Meeting HTAi Oslo
“Global Efforts in Knowledge Transfer: HTA to Health Policy and Practice”
Oslo/ Norwegen
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Judit Erdös/ JE
CW: Claudia Wild
BP: Brigitte Piso
ER: Eleen Rothschedl
IR: Inanna Reinsperger