Er ist kein Einzelfall. Der renommierte Alzheimerforscher Marc Tessier-Lavigne trat im August 2023 von seinem Amt als Präsident der Universität Stanford zurück, nachdem bekannt wurde, dass Mitglieder seines Labors an Datenmanipulationen beteiligt waren. Aktuell werden die Veröffentlichungen von Berislav Zlokovic von der University of Southern California (USC), Los Angeles, hinterfragt. Zlokovic gilt als einer der einflussreichsten Alzheimer-Wissenschaftler und ist führend in der Forschung zur Blut-Hirn-Schranke. Von 340 Studien mit Zlokovics Namen gibt es bei 37 Veröffentlichungen den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten. Im April 2024 zog Zlokovic seinen Artikel in der Fachzeitschrift Nature zurück, nachdem Unregelmäßigkeiten bei einigen Bildern festgestellt worden waren (1).
Ein weiterer Fall ist der von Domenico Praticò, Direktor des Alzheimer's Center an der Temple University in Philadelphia. Nachdem forensische Wissenschaftsanalyst*innen (Science Integrity Consultants) die Veröffentlichungen von Praticò untersucht hatten, haben sie sich in einem offenen Brief an die Fachzeitschrift im Konglomerat des Verlagsgiganten Springer Nature gewandt. Das Integritätsteam des Herausgebers hat seitdem vier Publikationen von Praticò, die im Zeitraum Oktober 2022 bis August 2024 unter der Ägide von Springer Nature publiziert wurden, zurückgezogen (2).
Auch ohne diese zahlreichen Forschungsskandale befindet sich die Alzheimerforschung in einer Sackgasse. Denn zu lange hat die sogenannte Amyloid-Hypothese das Feld dominiert. Sie besagt, dass Ablagerungen eines Eiweißes namens Beta-Amyloid im Gehirn der entscheidende Auslöser der Alzheimerkrankheit sind. In den vergangenen 30 Jahren drehte sich praktisch die gesamte Alzheimerforschung um diese Amyloid-Plaques. Auch die Arbeiten von Masliah, Zlokovic und Praticò stützten diese vorherrschende These. Doch bis heute fehlt der letzte Beweis, dass Amyloid-Plaques an den Nervenzellen wirklich die Ursache und nicht nur eine Folge der eigentlichen Alzheimer-Erkrankung sind (3).
Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas, Neurologe und Leiter des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern), FAU Erlangen-Nürnberg
Referenzen
(1) Nature Medicine (2024). Retraction note. https://www.nature.com/articles/s41591-024-02935-6
(2) Springer Nature (2024). Retraction note. https://link.springer.com/article/10.1007/s12035-024-04402-2
(3) digiDEM Bayern (2024). Alzheimer Forschung auf dem Prüfstand – Zeit für einen Paradigmenwechsel. https://digidem-bayern.de/alzheimer-forschung-auf-dem-pruefstand-zeit-fuer-einen-paradigmenwechsel/
In einer fokussierten Handsuche wurden fünf Methodendokumente und 30 HTA-Berichte zu KI-Gesundheitstechnologien identifiziert. Die eingeschlossenen HTA-Berichte evaluierten überwiegend KI-Anwendungen im Bereich Diagnostik und Screening (27/30), insbesondere in der Radiologie (10/27) und inneren Medizin (7/27). Die radiologischen KI-Anwendungen unterstützten vorwiegend die Analyse von Bildern (z.B. Computertomographien). Im Bereich der Radiotherapie (1/30) wurde KI für die Konturierung von zu bestrahlenden Regionen untersucht. Weitere KI-Anwendungen wurden für Vorhersagen (2/30) in der Palliativmedizin und im Patient*innenmanagement evaluiert. Die finale Entscheidung lag dabei immer beim medizinischen Fachpersonal – KI diente als Unterstützung zur effizienteren Gestaltung von Behandlungsprozessen.
Die Analyse der Methodendokumente zeigte, dass Standard-HTA-Methoden für die Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit geeignet sind, jedoch um KI-spezifische Aspekte ergänzt werden sollten. Diese betreffen insbesondere technische (Trainingsdaten, Datenqualität), ethische (algorithmische Verzerrung) und organisatorische Aspekte (menschliche Aufsicht) sowie die Überwachung nach Implementierung. Basierend auf den internationalen Methodendokumenten wurde eine Checkliste entwickelt, um Entscheidungsträger*innen bei der Implementierung von KI in den Bereichen Zweckbestimmung, regulatorische Anforderungen, HTA-Evaluation und Überwachung zu unterstützen. Für österreichische Krankenhäuser wird empfohlen, Standardmethoden, beispielsweise das EUnetHTA Core Model, als Ausgangspunkt zu nutzen und dieses mit bestehenden Frameworks für digitale Gesundheitstechnologien und mit KI-spezifischen Komponenten aus Checklists zu ergänzen. Aufgrund der starken Abhängigkeit von KI-Gesundheitstechnologien von der digitalen Infrastruktur ist es wichtig, diese zu verbessern, um KI in österreichischen Krankenhäusern erfolgreich implementieren zu können. MR
AIHTA/ AT 2024: Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung mit Schwerpunkt auf Krankenhäusern: Methodische Überlegungen für Health Technology Assessments. Ein Scoping Review. HTA-Projektbericht Nr.: 142. https://eprints.aihta.at/1546/
Der Bericht analysiert die Brustkrebsversorgung in sechs europäischen Ländern – Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden, Niederlande und Belgien – und vergleicht zentrale Aspekte der „Patient Journey“, von der Diagnostik bis zur Nachsorge. Drei Hauptansätze in der Organisation der Versorgung wurden identifiziert. Im ersten Ansatz, dem „zentralisierten Spezialist*innenmodell“, erfolgt die Brustkrebsbehandlung in wenigen, hochspezialisierten und zertifizierten Zentren, um hohe Qualitätsstandards zu sichern. Im zweiten Ansatz, der „dezentralisierten Versorgung“, verteilen sich die Behandlungen auf mehrere Krankenhäuser, die strikten Zertifizierungsanforderungen zur Qualitätskontrolle unterliegen. Der dritte Ansatz, die „netzwerkbasierte integrierte Versorgung“, kombiniert zentrale und dezentrale Angebote, indem spezialisierte Behandlungen in Zentren durchgeführt werden, während weniger komplexe Fälle regional versorgt werden.
In vielen Ländern ergänzen neuartige Ansätze wie Home Treatment und pflegekräftegeführte Kliniken das Angebot, um Patient*innen eine wohnortnahe Versorgung zu ermöglichen. Der Fachkräftemangel, insbesondere in der spezialisierten Pflege, sowie die mangelnde Datenintegration erschweren jedoch die Umsetzung. Daher ist der Ausbau interoperabler Datenlösungen und sektorübergreifender Netzwerke, um die Versorgungsqualität und den Zugang auch in ländlichen Regionen sicherzustellen von zentraler Bedeutung. Österreich steht vor der Herausforderung, das zentralisierte Spezialist*innenmodell mit der wachsenden Nachfrage nach spitalsambulanter Versorgung und Home Treatment in Einklang zu bringen. Langfristig sind gut durchdachte Lösungen erforderlich, um sowohl hohe Qualitätsstandards als auch den flächendeckenden Zugang zur Versorgung sicherzustellen. NG
AIHTA/ AT 2024: Versorgung onkologischer Patient*innen am Beispiel Brustkrebs: Patient*innenpfade, Versorgungsstrukturen und Leistungserbringung in ausgewählten Europäischen Ländern. HTA-Projektbericht Nr.: 162. https://eprints.aihta.at/1545/.
Es wurden insgesamt neun systematische Reviews (SRs) und 28 Leitlinien im Zuge einer systematischen Suche eingeschlossen. Für Depression fanden vier von fünf SRs nur unzureichende Evidenz für die Wirksamkeit eines Screenings. Auch in zwei systematischen Reviews zu Angststörungen wurden keine Vorteile eines Screenings festgestellt. Für Alkohol- und Drogenkonsum konnten keine Studien zur Effektivität identifiziert werden. Die Leitlinien empfahlen dagegen größtenteils ein Screening. Bei Depressionen und Angststörungen wurde vorwiegend ein Screening von Risikogruppen (z.B. bereits bestehende körperliche chronische Erkrankungen) empfohlen, während sich die Leitlinien beim Substanzkonsum für ein bevölkerungsweites Screening aussprachen. Außerdem wurden vier unterschiedliche Screeningmethoden identifiziert: das gezielte Einsetzen von Fragebögen bei Personen mit Risikofaktoren, eine kurze Frage zum psychischen Befinden mit zusätzlichen Fragebögen bei auffälligen Antworten, das standardmäßige Verwenden von Fragebögen bei allen Patient*innen sowie das Testen biologischer Marker. In der eingeschlossenen Literatur wurden insgesamt 105 Screening-Fragebögen identifiziert. Siebzehn davon erfüllten die Einschlusskriterien und wurden detailliert anhand ihrer Merkmale beschrieben, u.a. in Bezug auf die benötigte Zeit, Kosten, Sensitivität und Spezifizität.
Für die potenzielle Implementierung eines Screenings auf psychische Erkrankungen in Österreich wurden wichtige Voraussetzungen beschrieben. Dazu zählen die Definition einer Zielpopulation, klare Screening- und Behandlungspfade, die Wahl geeigneter Screeningmethoden und -tests, die Schulung des Gesundheitspersonals, die Sicherstellung einer diagnostischen Abklärung nach positivem Screeningergebnis sowie die Bereitstellung von Therapieangeboten. Da ein Screening auch Schäden wie Überdiagnostik oder unnötige Untersuchungen mit sich bringen kann, sollten der potenzielle Nutzen und Schaden sorgfältig abgewogen werden. Zudem sollten auch alternative Strategien zur Verbesserung der Versorgung psychischer Erkrankungen – etwa ausreichend öffentlich finanzierte Behandlungsmöglichkeiten oder Maßnahmen zur Entstigmatisierung – in Betracht gezogen werden. JK
AIHTA/ AT 2024: Screening der psychischen Gesundheit von Erwachsenen in der Primärversorgung.HTA-Projektbericht Nr.: 159. https://eprints.aihta.at/1544/
6. bis 7. März 2025
8. ATHEA Konferenz
Wien
https://www.athea.at/achte-athea-konferenz/
26. bis 28. März 2025
EbM-Netzwerk: Kongress
“Die EbM der Zukunft – packen wir’s an”
Freiburg
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Ozren Sehic/OS
JK: Julia Kern
MR: Michaela Riegelnegg
NG: Nicole Grössmann-Waniek
SW: Sarah Wolf