Eine optimale Unterstützung für Menschen mit Gesundheitsproblemen ist ein wichtiges Anliegen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Doch manche Krankheiten erhalten mehr Aufmerksamkeit als andere, etwa weil sie viele Menschen betreffen oder relativ einfach zu behandeln sind. Mit den "low hanging fruits" bereits geerntet, erfordert es zunehmend größere Anstrengungen, auch nur kleine Fortschritte zu erzielen. Viele neue Gesundheitsmaßnahmen bieten bestenfalls einen marginalen Mehrwert, was eine ineffiziente Nutzung von öffentlichen Ressourcen darstellt. Das derzeitige Innovationsmodell stößt an seine Grenzen, und es wird von den Gesundheitspolitiker*innen erwartet, die Kontrolle über Innovationen und Investitionen zurückzugewinnen. Sie sollen diese auf Bereiche lenken, in denen der größte Mehrwert erzielt werden kann – sei es auf individueller oder auf gesellschaftlicher Ebene.
Die NEED-Initiative (Needs Examination, Evaluation, and Dissemination) zielt darauf ab, den Übergang zu einer bedarfsorientierten Gesundheits- und Innovationsstrategie zu unterstützen. Dies geschieht durch den Aufbau einer Forschungsinfrastruktur, die Forschungen zu ungedeckten Bedarfen koordiniert und in einer für alle zugänglichen europäischen Datenbank integriert. Das vom KCE und Sciensano entwickelte „Framework zur Bewertung des ungedeckten Bedarfs“ dient als Modell für die strukturierte Datenerhebung. Um ein umfassendes Bild des ungedeckten Bedarfs in einem Bereich zu erhalten, wurden 23 Kriterien festgelegt, die durch verschiedene Indikatoren gemessen werden. Diese Kriterien und Indikatoren berücksichtigen die Bedarfe der Patient*innen und der Gesellschaft sowie die zukünftigen Bedarfe. Sie umfassen die direkten und indirekten Auswirkungen der Krankheit auf die individuelle und kollektive Gesundheit sowie die sozialen Folgen.
Das Interesse an der NEED-Initiative und ihrer Philosophie ist groß. Bereits 16 EU-Mitgliedstaaten haben ihre Unterstützung für das Projekt zugesichert. Ungedeckte Bedarfe sind auch Thema einer europäischen Konferenz (am 17./18. April in Brüssel), die von der belgischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert wird.
Priv.-Doz. Dr. Claudia Wild, Geschäftsführerin der HTA Austria – AIHTA GmbH
Project Website: https://health-needs.eu/index.php/en/
KCE & Sciensano/BE (2024): NEEDS Examination, Evaluation and Dissemination (NEED): Assessment Framework, https://kce.fgov.be/sites/default/files/2024-03/KCE377C1_NEED_Framework.pdf
KCE & Sciensano/BE (2024): NEEDS Examination, Evaluation and Dissemination (NEED): Applicability to Rare Diseases.
Das Assessment berücksichtigte sehr unterschiedliche Studien, darunter Querschnittsstudien zur Bewertung der Zuverlässigkeit und Validität, sowie Studien zur praktischen Anwendung von DWMS. In den Studien wurden folgende Endpunkte berichtet: die vollständige Schließung von Wunden, die Zeit bis zur vollständigen Schließung, die Wundheilungsrate, die Veränderung der Wundoberfläche, die Verbesserung des Wundbetts und der Prozentsatz der Patient*innen mit Druckgeschwüren (Dekubitus). Es wurden keine Studien identifiziert, die über das Auftreten von Infektionen, die Anzahl der Amputationen, unerwünschte Ereignisse, die Dauer des Krankenhausaufenthalts oder die Lebensqualität berichteten. Insgesamt deuten die Ergebnisse der Bewertung darauf hin, dass einige DWMS zwar eine genaue Messung der Wundoberfläche ermöglichen, eine exakte Bewertung der Tiefe und des Volumens einer Wunde jedoch nach wie vor schwierig ist – insbesondere bei Wunden an schwererreichbaren Körperstellen oder bei Personen mit dunklerer Hautfarbe. Zudem bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Gültigkeit von Wundmessungen, die außerhalb kontrollierter Settings durchgeführt werden. Darüber hinaus sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von DWMS-Interventionen nach wie vor unklar, da gesundheitsökonomische Bewertungen für DWMS-Interventionen fehlen und eine Kostenanalyse auf ein begrenztes Potenzial für Kosteneinsparungen für das Gerät "Minuteful for Wounds" hindeutete.
Allein in Wales suchen jährlich rund 80.000 Menschen wegen neuer Wunden medizinische Hilfe auf, was im gesamten Vereinigten Königreich erheblich zu den Kosten des NHS beiträgt. Integrierte DWMS nutzen digitale Geräte, die mit fortschrittlichen Bildgebungsfunktionen ausgestattet sind, um detaillierte 3D-Bilder von Wunden zu erfassen. Mithilfe automatischer Wundabmessungen, einschließlich der Oberfläche, sollen DWMS den Beurteilungsprozess rationalisieren und wertvolle Daten für die Behandlungsplanung liefern. Die Ergebnisse der HTW-Bewertung unterstreichen jedoch die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die klinischen und wirtschaftlichen Effekte, sowie die Implementierung von DWMS in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens zu klären. SW
Health Technology Wales (HTW)/ GB-WLS 2023: Integrated Digital Wound Care Management Systems to assess and manage people receiving wound care. https://healthtechnology.wales/wp-content/uploads/2023/03/EAR051-DWMS-WEB.pdf.
Die regelmäßige Messung und Überwachung des Pulmonalarteriendrucks mittels eines dauerhaft in die Pulmonalarterie implantierten Sensors soll es ermöglichen, Veränderungen im Lungenkreislauf frühzeitig zu erkennen, um die medikamentöse Therapie rechtzeitig anpassen zu können. Drei randomisierte kontrollierte Studien (RCTs, n=1.548 Patient*innen) wurden ausgewertet und zeigten für mehrere patient*innenrelevante Endpunkte wie gesundheitsbezogene Lebensqualität, die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung und Krankenhausverweildauer einen Vorteil zugunsten des PA-Druck-gestützten Monitorings. Allerdings mangelte es an verwertbaren Studiendaten für eine verlässliche Bewertung der Komplikationen. Damit bleibt laut IQWiG der Nutzen des Monitorings des pulmonalarteriellen Drucks mit implantiertem Sensor in der Gesamtabwägung so lange unklar, bis weitere Studienergebnisse eine umfassende Bewertung – insbesondere der möglichen Nachteile der Methode – ermöglichen. Es ist nämlich zu bedenken, dass die Implantation eines Drucksensors in die Pulmonalarterie zu Komplikationen führen kann — sowohl kurzfristig durch den Eingriff als auch längerfristig durch das Implantat und die erforderlichen Medikamente.
Weitere Evidenz ist laut Bericht aber bereits in Sicht: Drei laufende RCTs mit Patient*innen im NYHA III-Stadium erheben nämlich derzeit patient*innenrelevante Endpunkte, die weitere Erkenntnisse zu Nutzen und Schaden des Blutdruckmonitorings erwarten lassen. Da in allen drei Studien eine Kontrollgruppe ohne Implantation eines PA-Drucksensors untersucht wird, erhofft man sich von diesen Studien bisher fehlende Daten zur Bewertung des Schadenspotenzials des PA-Druckmonitorings. OS
IQWiG/DE 2024: Messung und Monitoring des pulmonalarteriellen Druckes mittels implantierten Sensors zur Therapieoptimierung bei Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III. IQWiG-Berichte – Nr. 1709. https://www.iqwig.de/download/d23-02_pa-druck-monitoring-bei-herzinsuffizienz_rapid-report_v1-0.pdf.
Die Berichtsautor*innen identifizierten insgesamt 33 Studien aus den USA und den Niederlanden für die Versorgungsbereiche Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), chronische/kongestive Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Die ermittelten Anreizsysteme wurden in vier übergeordnete Kategorien gruppiert: (i) Gemeinsame Einsparungen („Shared Savings“), (ii) gebündelte Zahlungen („Bundled payments“), (iii) leistungsabhängige Vergütung („Pay for Performance“), und (iv) Vergütung für die Koordinierung („Pay for Coordination“). Die Autor*innen kommen zum Schluss, dass all diese Anreizsysteme die Effizienz integrierter Versorgung fördern können. Das System der gemeinsamen Einsparungen über die verschiedenen Versorgungssektoren hinweg scheint das vielversprechendste zu sein. Jedoch ist die Wirksamkeit von allen vier Anreizsystemen kontextabhängig – z.B. kann es Jahre dauern, bis finanzielle Anreize zur Integration der Pflege messbar wirksam werden. Eine erfolgreiche Umsetzung und Wirksamkeit der Anreizsysteme können mithilfe von Maßnahmen („Facilitators“) wie finanzieller Unterstützung, IT-Support, Schulungen und bereitgestellten Leitlinien unterstützt werden. Fehlende elektronische Krankenakte, Kommunikationskanäle und klinische Leitlinien hingegen gelten laut Studie als potenzielle Hindernisse für die erfolgreiche Umsetzung finanzieller Anreize für die Integration der Versorgung.
Eindeutige Kausalitäten können aufgrund der qualitativ limitierten Evidenz nicht nachgewiesen werden. Inwieweit Anreizsysteme die Versorgung effizienter gestalten und gleichzeitig die Versorgungsqualität verbessern oder zumindest erhalten können, ist daher unklar. CS
Yordanov D, Oxholm AS, Prætorius T, Kristensen SR. Financial incentives for integrated care: A scoping review and lessons for evidence-based design. Health Policy. 2024;141:104995. https://doi.org/10.1016/j.healthpol.2024.104995.
Die Forscher*innen identifizierten 106 Studien, von denen zwei randomisierte klinische Studien, die über die Wirksamkeit und Sicherheit des GI-Genius™-Systems berichten, in die Analyse eingeschlossen wurden. Es wurden keine erkennbaren Unterschiede in den Sicherheitsergebnissen zwischen der Verwendung des GI-Genius™ Systems während der Koloskopie und der Koloskopie ohne weitere Unterstützung festgestellt. Hinsichtlich der Ergebnisvariablen zur Wirksamkeit zeigten die eingeschlossenen Studien eine erhöhte Adenom-Erkennungsrate, eine erhöhte Erkennung von Adenomen <10 mm, eine erhöhte Adenomzahl pro Koloskopie, einen erhöhten Anteil distaler Adenome und eine verbesserte Polypenerkennung bei Verwendung des GI-Genius™-Systems während der Koloskopie im Vergleich zur Kontrolle. Es wurden jedoch keine Unterschiede bei der Erkennung von Adenomen mit einer Größe >10 mm oder der Erkennungsrate von sessilen serrierten Läsionen (adenomatöser, flach-breitbasiger Kolonpolyp) mit oder ohne das GI-Genius™-System festgestellt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Erfahrung des/der Endoskopikers/in das Ergebnis der Koloskopie wesentlich beeinflussen kann.
Systeme zur Unterstützung der Koloskopie durch künstliche Intelligenz wie GI-Genius™ befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, so dass weitere multizentrische, randomisierte, nicht-kommerziell gesponserte klinische Studien erforderlich sind, um festzustellen, ob die Anwendung von Diagnosemethoden für kolorektale Präkanzerosen, die durch diese Systeme unterstützt werden, Ergebnisse liefern kann, die den Krankheitsverlauf in verschiedenen Populationen beeinflussen. In Bezug auf die Funktion des GI-Genius™-Systems zur Charakterisierung von Läsionen wurden keine Studien gefunden, die die Einschlusskriterien erfüllten. Derzeit werden weitere RCTs durchgeführt, in denen das GI-Genius™-System mit einer Kontrollgruppe verglichen wird. DF
AQuAS / ESP 2023: Inteligencia artificial para la detección y caracterización de lesiones precancerosas colorrectales en la colonoscopia. https://scientiasalut.gencat.cat/handle/11351/10545.
15. bis 19. Juni 2024
HTAi
„A Turning Point for HTA? Sustainability, Networks and Innovation”
Sevilla
https://htai.eventsair.com/htai-2024-annual-meeting
01. bis 03. Juli 2024
EuHEA Conference 2024
„Opening up perspectives on health economics“
Wien
https://euhea.eu/welcome_conference_2024.html
16. bis 18. Oktober 2024
27. ÖGPH Jahrestagung
„Mehr Public Health!"
Innsbruck
https://oeph.at/event/oegph-jahrestagung-save-the-date/
05. bis 06. November 2024
ANP-Kongress
„Klinisches Leadership & Verantwortung“
Linz
13. bis 15. November 2024
17th European Public Health Conference 2024
„Sailing the waves of European public health: exploring a sea of innovation “
Lissabon
Impressum
Redaktion: Claudia Wild/ CW, Ozren Sehic/OS
CS: Christoph Strohmaier
DF: Daniel Fabian
OS: Ozren Sehic
SW: Sarah Wolf