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- Newsletter Februar 2020 | Nr. 184
- Editorial: Der ökologische Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssystems – erste Ergebnisse legen strategischen Handlungsbedarf nahe
Editorial: Der ökologische Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssystems – erste Ergebnisse legen strategischen Handlungsbedarf nahe
Der Klimawandel ist in aller Munde und wurde nicht zuletzt durch das Engagement der Jugend zu einem vorrangigen politischen Thema in Europa und Österreich. Auch die potentiellen gesundheitlichen Folgen, wie die Zunahme von Hitzetagen, von Allergien durch Pollen und Luftschadstoffen, von Unwettern etc., unterstreichen die Dringlichkeit von politischem Handeln. Aber wie steht es mit dem Klimaimpact des Gesundheitssystems selbst? Bisher war der ökologische Fußabdruck des Gesundheitssystems kaum im Blickpunkt der Klimaforschung. Eine ForscherInnengruppe der Universität für Bodenkultur Wien, der Gesundheit Österreich und des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung legt nun erstmals Zahlen für das österreichische Gesundheitssystem vor (gefördert durch den Klima- und Energiefonds). Für die Abschätzung der weltweit durch die Krankenbehandlung in Österreich entstehenden Emissionen von Treibhausgasen (insbesondere CO2) wurden zwei methodische Zugänge entwickelt:
1) eine Top-Down Analyse, in der aus den Daten der gesamten österreichischen Wirtschaft und deren CO2-Emissionen (Multi-Regionales Input-Output Modell – EE-MRIO) der Anteil des Gesundheitssystems errechnet wir. Diese Analyse erlaubte erstmals den CO2-Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssystems in einem Vergleich aller OECD-Länder in einer Zeitreihe über 15 Jahre (2000/2010/2014) darzustellen (Pichler et al. 2019). Mit ca. 6,7% des gesamten CO2-Fußabdrucks Österreichs (entspricht ca. 6,8 Megatonnen CO2) lag das österreichische Gesundheitssystem 2014 an sechster Stelle aller OECD-Staaten. Das überraschte auch viele KlimaexpertInnen, da das Gesundheitssystem damit der größte CO2-Emmitent im Dienstleistungssektor ist. Der Nachteil dieser Analyse ist, dass die Daten nur sehr grob vorliegen und die genauen Ursachen für den CO2-Fußabdruck nicht analysiert werden können.
Daher wurden 2) Bottom-up-Analysen entwickelt, in denen für die detaillierteren Abschätzungen des Fußabdrucks Kosten- und Verbrauchsangaben der Sektoren des Gesundheitssystems aus unterschiedlichen Datenbanken und Statistiken, Daten aus Lebenszyklen-Analysen einzelner Produkte (LCA-Faktoren) bzw. Emissionsfaktoren aus der Literatur sowie Umweltberichten und Sondererhebungen zusammengetragen wurden. Damit konnten erstmals Detailanalysen für die Quellen des CO2-Verbrauchs der österreichischen Spitäler gemacht werden. Auch hier war die Überraschung groß, da mehr als die Hälfte des Fußabdrucks der Spitäler durch Pharmazeutika und andere medizinische Produkte entsteht, gefolgt vom Energieverbrauch. Eine eigene Analyse widmete sich dem CO2-Verbrauch des durch das Gesundheitssystem induzierten privaten Verkehrs. Der liegt 2015 bereits über dem CO2-Verbrauch des Energiekonsums des Gesundheitssystems. (Weisz et al. 2019)
Basierend auf diesen vielschichtigen, empirischen Ergebnissen wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet. Vielleicht die wichtigste Forderung ist die Formulierung einer eigenen Klimastrategie für das österreichische Gesundheitswesen, wie sie auch zuletzt im Spezialreport des APCC (2018) gefordert wurde.
Mag. Dr. Peter Nowak, Abteilungsleiter Gesundheit und Gesellschaft in der Gesundheit Österreich (GÖG) GmbH
APCC (2018). Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Austrian Panel on Climate Change (APCC), Verlag der OAW, Wien
Pichler, P.; Jaccard, I.; Weisz, U.; Weisz, H. (2019): International comparison of health care carbon footprints. Environ. Res. Lett. 14 (2019) 064004. https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab19e1
Weisz, U.; Pichler, P.; Jaccard, I.; Haas, W.; Nowak, P.; Mateja, S.; Bachner, F.; Weisz, H. (under revision): Austrian healthcare carbon footprint. Resources, Conservation & Recycling.
Weisz, U.; Pichler, P.; Jaccard, I.; Haas, W.; Nowak, P.; Mateja, S.; Bachner, F.; Lepuschütz, L.; Windsperger, A.; Windsperger, B.; Weisz, H. (2019, noch nicht publiziert). Der Carbon Fußabdruck des österreichischen Gesundheitssektors. Endbericht. Klima- und Energiefonds, Austrian Climate Research Programme, Wien.