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- Newsletter April 2020 | Nr. 186
- Editorial: Elektronische Entscheidungshilfe zur Vermeidung unnötiger Radiologie (MIDAS-Studie)
Editorial: Elektronische Entscheidungshilfe zur Vermeidung unnötiger Radiologie (MIDAS-Studie)
Aber ein Mehr an radiologischen Bildern bedeutet nicht auch automatisch eine bessere Versorgung der Patient*innen. Überflüssige oder unpassende Untersuchungen führen dazu, dass Ärzt*innen weniger Zeit für die restlichen, relevanteren Untersuchungen zur Verfügung steht. Patient*innen ärgern sich zudem über lange Wartezeiten auf Termine und werden je nach Untersuchung möglicherweise einer unnötigen Strahlungsbelastung ausgesetzt. Die zusätzlichen Kosten sind außerdem nicht unerheblich. Ein Großteil dieser Überversorgung entsteht dadurch, dass die Vorgaben von medizinischen Leitlinien nicht konsequent umgesetzt werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es spielen Erwartungshaltungen der Patient*innen eine Rolle, aber auch Unwissenheit oder Unsicherheit des Arztes bzw. der Ärztin über die konkreten Leitlinien oder der Wunsch nach mediko-legaler Absicherung. Weitere Gründe sind das System der Selbstzuweisungen, die aktuellen Vergütungsstrukturen im Gesundheitssystem oder Doppeluntersuchungen durch Fehlkommunikation (2).
Eine Möglichkeit zur Reduktion von nicht-leitlinienkonformer bildgebender Diagnostik ist die Verwendung einer elektronischen Entscheidungshilfe (Clinical Decision Support System, CDSS), die dem/der anfordernden Arzt/Ärztin direkt rückmeldet, ob die gewünschte Untersuchung für die Symptome des/der Patienten/in angemessen ist und den Leitlinien entspricht oder gegebenfalls eine alternative Untersuchung vorschlägt. Ein solches System ist in der USA seit diesem Jahr verpflichtend (3). Doch ändert dies wirklich etwas im Klinikalltag? Aussagekräftige Studien für den Standort Deutschland fehlen dazu bisher. Thomas Kröncke, Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Augsburg, hat ein Forschungsprojekt initiiert, das genau dies untersuchen soll: die MIDAS (Medical Imaging Decision and Support) Studie. Zentrale Fragestellung ist, ob ein CDSS, das direkt an die Anforderungsmaske der Klinik-Software gekoppelt ist, zu einer Reduktion von inadäquater radiologischer Anforderungen führt. Zusätzlich werden die Daten Aussagen über den Einfluss der Software auf die Kostenentwicklung und Strahlenbelastung der Patient*innen ermöglichen. Langfristig können solche Erkenntnisse die Versorgungssituation von Patient*innen verbessern. Die Studie, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des Innovationsausschusses mit etwa einer Millionen Euro gefördert wird, startete Ende 2019. Konsortialpartner sind O. Jansen (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel), J. Barkhausen (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck), P. Mildenberger (Universitätsmedizin Mainz) und M. Hunink (Erasmus University Medical Center Rotterdam). An den deutschen Standorten werden momentan Vorbereitungen für die Implementierung des CDSS in Software der Kliniken getroffen. Die Studie selber ist als multizentrische matched-pair randomisierte Studie angelegt, die Datenerhebung läuft über einen Zeitraum von zwölf Monaten und beginnt dieses Jahr.
Dr. rer. nat. Claudia Wollny, Wissenschaftsmanagerin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Augsburg
Prof. Dr. Thomas Kröncke, Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Augsburg
Referenzen:
- Gesundheitsberichtserstattung des Bundes: Operationen und Prozeduren in Krankenhäsuern, URL: http://gbe-bund.de, Startseite > Gesundheitsversorgung > Medizinische Verfahren , Medizinische Untersuchungen und Behandlungen > Operationen und Prozeduren in Krankenhäusern (Seitenaufruf am 20.02.2020)
- Hendee WR, Becker GJ, Borgstede JP, Bosma J, Casarella WJ, Erickson BA, Maynard CD, Thrall JH, Wallner PE. Addressing overutilization in medical imaging. Radiology. 2010 Oct;257(1):240-5.
- Electronic Code of Federal Regulations: https://www.ecfr.gov, Startseite > Title 42 – Public Health > Chapter IV, Part 414 > Subpart B > §414.94 (Seitenaufruf am 24.02.2020)