- Aktuelles
- Newsletter
- Newsletter Juni 2021| Nr. 198
- Editorial: Pharmasponsoring für Patient*innen-Initiativen: geringes Problembewusstsein
Editorial: Pharmasponsoring für Patient*innen-Initiativen: geringes Problembewusstsein
Durch die zunehmende Professionalisierung von Patient*innen-Initiativen steigt auch ihr Bedarf an finanziellen Mitteln, der häufig durch Sponsoring von Pharmaunternehmen gedeckt wird. Um diese Geldflüsse transparenter zu gestalten, hat die Pharmaindustrie mit einer Selbstverpflichtung zur Offenlegung reagiert. Dadurch können zwar mögliche Interessenskonflikte sichtbar gemacht werden, allerdings ist die Bereitwilligkeit zur Transparenz noch immer relativ gering ausgeprägt, wie die Analysen des AIHTA seit 2014 zeigen. Im Jahr 2019 machten laut AIHTA-Bericht nur 39 von insgesamt 115 Mitgliedsunternehmen der PHARMIG Angaben über finanzielle Zuwendungen an Patient*innen-Initiativen. Im Vergleich zu 2018 sank die Offenlegungsquote von 43 auf 34 Prozent, während gleichzeitig ein deutlicher Anstieg der deklarierten Geldsumme um 37 Prozent auf rund 2,3 Millionen Euro zu beobachten war. Die Bandbreite der Unterstützungen erstreckte sich auf Förderungen der Vereinstätigkeiten und Informationsveranstaltungen über finanzielle Hilfen für Ausbildungsseminare und Tagungen bis hin zu Druckkostenzuschüssen.
Für die Analyse wurden die Websites aller 115 PHARMIG-Mitgliedsunternehmen auf Informationen zu finanziellem Sponsoring an Patient*innen-Initiativen untersucht. 2019 erhielten den größten Anteil die Bereiche Hämato-Onkologie (354.325 Euro bzw. rund 16 Prozent der Gesamtsumme) und Hämophilie (287.552 Euro bzw. rund 13 Prozent der Gesamtsumme), gefolgt von Lungenerkrankungen, Diabetes- und Stoffwechselerkrankungen. Die deutliche Zunahme von Zuwendungen auf dem Gebiet der Hämophilie dürfte nicht zuletzt mit der Entwicklung von neuen, sehr teuren Gentherapien im Zusammenhang stehen. Es ist insgesamt auffällig, dass vor allem jene Patient*innen-Initiativen unterstützt werden, für die teure Therapien zur Verfügung stehen. Die Patient*innen-Initiativen selbst deklarieren eher selten die konkreten erhaltenen Summen: Auf den Websites jener 17 Patient*innen-Initiativen mit den höchsten finanziellen Unterstützungen fanden sich nur in sechs Fällen Angaben zu konkreten Spendensummen, woraus ein geringes Problembewusstsein geschlossen werden kann.
Mögliche Interessenskonflikte beeinflussen nicht zwangsläufig das Urteilsvermögen von Patient*innen-Initiativen, sie sind aber ein Risiko für verzerrte Wahrnehmungen. Die gesponserten Patient*innen-Initiativen verlieren so möglicherweise den kritischen Blick und das Bewusstsein darauf, welche Therapiemöglichkeiten es abseits der von den unterstützenden Pharmaunternehmen angebotenen Arzneimittel noch gibt. Das Fazit des AIHTA-Berichts ist, dass das Problembewusstsein immer noch nur sehr selektiv vorhanden ist. Deshalb sei es notwendig, weiterhin ein kritisches Monitoring durchzuführen, um den Transparenzprozess zu unterstützen.
Priv. Doz. Dr. Claudia Wild, Geschäftsführerin der HTA Austria – AIHTA GmbH
Referenz:
AIHTA/AT 2021: Sponsoring von Patient*innen-Initiativen in Österreich. Update zu den systematischen Analysen 2014 bis 2018. AIHTA Policy Brief 007. https://eprints.aihta.at/1308/