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- Newsletter September 2021 | Nr. 200
- Editorial: Nicht-Interventionelle Studien (NIS) in Österreich
Editorial: Nicht-Interventionelle Studien (NIS) in Österreich
Im BASG/AGES NIS-Register waren zum Stichtag 462 NIS registriert. Im Vergleich zum Erstbericht aus 2016 stieg die Gesamtanzahl der NIS um 84% (2016: 251 NIS) sowie die Patient*innenanzahl um 86% (2021: 757.948, 2016: 406.831 Patient*innen). Die Urheber der eingespeisten NIS sind weiterhin überwiegend Pharmafirmen. So stammten 292 der 462 NIS (d.h. 63%) von diesen Organisationen – im Erstbericht betrug dieser Anteil noch 76%. Auf universitäre Einrichtungen entfielen 34 NIS (2016/2017: 37), während andere (Auftrags-) Forschungseinrichtungen mit 128 NIS (Anteil: 28%, 2016/2017: 23) im Register vertreten waren. Bei der Mehrzahl der NIS handelt es sich um Anwendungsbeobachtungen, die Fragen zur Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen, Verträglichkeit und Praktikabilität, sowie zur langfristigen Sicherheit der Studienmedikamentierung erkundeten. Eine der größten Hürden in der Auswertung bestand in der Beschaffenheit des Registers selbst: So bemängelte das AIHTA v.a., dass Titel und Forschungsfragen erst in den Abschlussberichten konkretisiert werden, Kategorisierungen widersprüchlich erfolgen und/oder nicht mit den hochgeladenen Ergebnissen abgeglichen werden. Es dürfte daher vom Register-Betreiber BASG/AGES keine oder nur eine sehr oberflächliche, formale Kontrolle der eingereichten Datensätze erfolgen. Zu diesem Schluss kam das AIHTA bereits im Erstbericht bzw. Update.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) listete 2020 vier Aspekte auf, wonach AWB kritisch zu bewerten sind. Drei dieser Aspekte (ungewöhnlich hohe Teilnehmer*innenzahlen, Studien zu längst eingeführten und gut erprobten Arzneimitteln, mehrere unterschiedliche/ einander sehr ähnliche AWB zum selben Arzneimittel) ließen sich aus dem österreichischen NIS-Register ableiten. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) rät inzwischen explizit von der Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen ab. Die Gründe: Geringer Erkenntnisgewinn und forcierter Einsatz teurer Medikamente bei existierenden Alternativen, um Marktanteile zu gewinnen. Eine 2015 in Deutschland durchgeführte Analyse zu Anwendungsbeobachtungen stellte zudem fest, dass jede/r zehnte niedergelassene Arzt/ Ärztin an AWB teilnimmt und infolge Studienmedikamente 7-8% häufiger verschreibt als ihre/seine Kolleg*innen.
Ozren Sehic, B.A.
Assistenz der Geschäftsführung & Wissenschaftskommunikation am AIHTA
Referenzen
AIHTA/AT 2021: Nicht-Interventionelle Studien (NIS) in Österreich, 2. Update der systematischen Analysen 2016 & 2017. AIHTA Policy Brief Nr.: 010 2021: https://eprints.aihta.at/1333/.
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Anwendungsbeobachtungen: Meldungen und Abschlüsse von Anwendungsbeobachtungen an die KBV. 2020: https://www.kbv.de/html/themen_23913.php.
Koch C., et al. Impact of physicians' participation in non-interventional post-marketing studies on their prescription habits: A retrospective 2-armed cohort study in Germany. PLoS Med. 2020;17(6):e1003151. Epub 2020/06/27. DOI: 10.1371/journal.pmed.1003151