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- Newsletter Oktober 2021| Nr. 201
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Zweitmeinungen bei chirurgischen Verfahren
Die Studienpopulation bestand aus 1.414 Patient*innen, die von August 2011 bis Dezember 2016 eine Zweitmeinung beim deutschen Zweitmeinungsdienst Medexo GmbH einholten. Mittels multivariater logistischer Regression und Varianzanalyse (ANOVA) wurden Unterschiede in den Patient*innenmerkmalen untersucht und nach Übereinstimmung der ersten Therapieempfehlung und der Zweitmeinung differenziert. Follow-up-Erhebungen für die Patient*innenzufriedenheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) wurden 1, 3 und 6 Monate nach Einholung der Zweitmeinung definiert. Die häufigsten Indikationen betrafen das Knie (37,3%), die Wirbelsäule (27,3%), die Hüfte (11,5%) und die Schulter (10,1%). In zwei von drei Fällen wurde die ursprüngliche Therapieempfehlung nicht bestätigt. Die Art der Indikation beeinflusste dabei die Übereinstimmung zwischen Ersttherapieempfehlung und Zweitmeinung signifikant (p = 0,035). Die überwiegende Mehrheit der Patient*innen (89%) schätzte die Zweitmeinung und den angebotenen Service sehr. Trotz zahlreicher Limitationen (fehlende Anamnese, Studiendesign, fehlende Kontrollgruppe etc.) kamen die Autor*innen zu dem Schluss, dass Zweitmeinungsverfahren Patient*innen in ihrem Entscheidungsprozess wesentlich unterstützen. Allerdings sind zukünftig weitere Untersuchungen mit stärkerem Studiendesign notwendig, die auch die ökonomische Dimension abbilden.
Ein australischer Scoping-Review zu Zweitmeinungsverfahren bei Wirbelsäulenoperationen, der 12 Studien von überwiegend schlechter methodischer Qualität einschloss, kam teilweise zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Die diagnostische Übereinstimmung zwischen Erst- und Zweitmeinung schwankte hier in den untersuchten Studien zwischen 53% und 96 %. Zweitmeinungsdienste empfahlen dabei weniger chirurgische Behandlungen, insbesondere bei der Wirbelsäulenfusion und könnten die Kosten und einen Teil der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen (z. B. Bildgebung) senken, während andere (z. B. Injektionen, verschreibungspflichtige Medikamente) jedoch zunehmen könnten. Allerdings fand sich im australischen Review keine Studie mit Kontrollgruppe. Auch hier wurde ein großer Bedarf an qualitativ hochwertigen Studien zu Zweitmeinungsdiensten attestiert. OS
AIHTA/ AT 2021: Editorial: Zweitmeinungsverfahren für Patient*innen in Deutschland: Welche therapeutischen und diagnostischen Prozeduren sind dafür besonders geeignet? Newsletter Juli/August 2021. Nr. 199. https://aihta.at/page/editorial-zweitmeinungsverfahren-fuer-patient-innen-in-deutschland-welche-therapeutischen-und-diagnostischen-prozeduren-sind-dafuer-besonders-geeignet/de
Weyerstraß, J., Prediger, B., Neugebauer, E. et al. (2020): Results of a patient-oriented second opinion program in Germany shows a high discrepancy between initial therapy recommendation and second opinion. BMC Health Serv Res 20, 237. https://doi.org/10.1186/s12913-020-5060-7
Ferreira GE, Zadro J, Liu C, Harris I, Maher C. (2021): Second Opinions for Spine Surgery: A Scoping Review. Research Square; DOI: 10.21203/rs.3.rs-611374/v1.