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- Newsletter November 2022 | Nr. 212
- Editorial: Internationale Trends in der Krankenhausfinanzierung
Editorial: Internationale Trends in der Krankenhausfinanzierung
Die Spitalsausgaben machen in den meisten einkommensstarken Ländern den größten Anteil der Gesundheitsausgaben aus, so auch in Österreich. Die Ausgaben werden unter anderem dadurch beeinflusst, wie die Leistungen der Spitäler vergütet werden. Das international vorherrschende Vergütungssystem basiert seit vielen Jahren auf diagnosebezogenen Fallpauschalen („diagnoses-related-groups/DRG“). Dabei werden Patient*innen entsprechend ihrer Diagnose in Diagnosegruppen zugeteilt, an die eine definierte Bezahlung geknüpft ist. Mit dieser Fallpauschale sind alle erbrachten Leistungen abgegolten. Üblicherweise gibt es Anpassungen für bestimmte Faktoren, wie Alter, Ko-Morbiditäten oder durchgeführte Prozeduren.
Eine Hamburger Studie hat nun festgestellt, dass sich einige Länder (z.B. Dänemark, Deutschland, England) zunehmend von diesem Vergütungssystem verabschieden, denn es hat mehrere unerwünschte Nebeneffekte: es setzt Anreize, die Anzahl der Spitalsaufnahmen zu erhöhen, selbst wenn die Behandlung in anderen Settings genauso gut und günstiger erbracht werden könnte, ignoriert die Qualität der Behandlung und kann bestimmte Krankenhäuser, z.B. bedarfsnotwendige Anbieter in ländlichen Gegenden, finanziell benachteiligen.
Vier Trends für neue Ansätze zeichnen sich ab: Erstens, der teilweise oder sogar vollständige Ersatz der Fallpauschalen durch fixe Budgets (Globalbudget), die unabhängig vom Leistungsvolumen bezahlt werden; zweitens, add-on Zahlungen für strukturell benachteiligte Krankenhäuser (z.B. solche in ländlichen Gegenden, die für einen möglichst gleichen Zugang aller Einwohner*innen notwendig sind); drittens, „episodenbasierte Vergütung“, bei der alle Anbieter, die in einen Behandlungspfad eines/einer Patient*in eingebunden sind, ein gemeinsames Budget erhalten. Beispielsweise bekommen niedergelassene Ärzt*innen und Krankenanstaltenträger für Voruntersuchung, Operation und Nachbetreuung einer Hüft-OP inkl. aller damit verbundenen Leistungen einen gemeinsamen Betrag; und viertens, konkrete finanzielle Anreize zur Verlagerung von Behandlungen in weniger kostenintensive Settings (z.B. gleiche Bezahlung für eine OP, egal ob sie stationär oder tageschirurgisch erbracht wird). Teilweise wird die Vergütung zusätzlich an vorab definierte Prozess- oder Ergebnisqualitätsparameter geknüpft. Mit Ausnahme der USA gibt es zu diesen Ansätzen kaum Evaluierungen. Die Expert*innen fordern daher, neue Vergütungssysteme zu pilotieren und verpflichtend zu evaluieren, idealerweise im Vergleich mit dem herkömmlichen System.
Das österreichische System der Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung ist in seiner Ausgestaltung sicherlich nicht 1:1 mit anderen Fallpauschalen-Systemen vergleichbar. Im Gegensatz zu Ländern wie z.B. Deutschland war es nie ein DRG-System in Reinform, wodurch manche unerwünschten Effekte (z.B. Unterversorgung in strukturell benachteiligten Gebieten) abgemildert wurden. Ebenso wurden bereits Anreize zu Verlagerung von Leistungen (z.B. in die Tageschirurgie und Spitalsambulanz) integriert, u.a. durch einen international einzigartigen Katalog spitalsambulanter Leistungen. Dennoch treffen einige der beschriebenen Nachteile des Systems ebenso für Österreich zu und eine Weiterentwicklung ist wünschenswert. Eine solche inkl. umfassender Evaluierung ist bis 2025 geplant. Die Frage ist, ob dabei nur an kleinen Schrauben gedreht wird oder ob über eine grundsätzliche Neuorientierung nachgedacht wird. Nötig ist ein Vergütungssystem, dass die integrierte Versorgung (z.B. bei chronischen Erkrankungen) unterstützt und die Primärversorgung und Prävention bestmöglich stärkt. In Österreich kann das nur gelingen, wenn mit dem Thema Krankenanstaltenfinanzierung gleichzeitig die fragmentierte Finanzierung zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich, sowie die Einzelinteressen der verschiedenen beteiligten Gebietskörperschaften substantiell hinterfragt werden und ein am Patient*innenwohl orientiertes Finanzierungssystem des Gesundheitswesens etabliert wird.
Dr. Ingrid Zechmeister-Koss, stellvertretende Institutsleiterin der AIHTA GmbH
Referenzen
Milstein R., Schreyögg J. 2022. Activity-based funding based on diagnoses-related groups. The end of an era? A review of payment reforms in the inpatient sector in ten high-income countries. https://bit.ly/3RBQWiu.
OECD. 2021. Health at a glance: Health expenditure by provider. https://bit.ly/3EcP1xR.
Rudolph E. 2022. Punkterennen. ÖKZ 10/2022. https://www.gesundheitswirtschaft.at/publikation/63-jg-2022-10/punkterennen/.