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- Newsletter Dezember/Jänner 2018/2019 | Nr. 173
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Arzneimittelerstattung im stationären Sektor in Österreich
In einem mehrstufigen Vorgehen wurden zunächst die Erstattungsprozesse zu Arzneimitteln in zehn ausgewählten Ländern sowie in Österreich entlang der Prozessschritte (Assessment-Appraisal-Entscheidung) untersucht. Folglich wurden die Stärken und Schwächen der möglichen Handlungsoptionen der einzelnen Prozessschritte nach vier vordefinierten Kriterien – (1) Evidenzbasiertheit und methodische Nachvollziehbarkeit, (2) Transparenz und prozedurale Nachvollziehbarkeit, (3) Gerechtigkeit und (4) Effizienz der Abläufe und Methoden – analysiert. Basierend auf der Analyse wurden drei Szenarien zu einem österreichweit einheitlichen Erstattungsprozess für hochpreisige Spitalsmedikamente ausgearbeitet, die auf bereits etablierten Prozessen und Pilotprojekten in Österreich aufbauen.
Das erste Szenario bildet das Pilotprojekt „Bewertungsboard für Medikamente in Krankenanstalten“ ab, welches seit Sommer 2018 anhand von drei ausgewählten Arzneimittelspezialitäten pilotiert wird. Der Prozessinitiator und -eigentümer ist die Gesundheitsreferentenkonferenz (neun Gesundheitsfonds). Innerhalb dieses Prozesses kann auf die bestehende Infrastruktur zur Bewertung von Arzneimitteln des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger zurückgegriffen werden, wodurch eine sektorenübergreifende Perspektive und dadurch eine zentrale Bewertung mit einheitlicher Methodik ermöglicht wird. Jedoch handelt es sich dabei um Bewertungen mit nicht-verbindlichem Charakter. Das zweite Szenario umfasst das Roll-out des steiermärkischen „Medizinischen Innovationsboards (MIB)“. Es wurde von einem Krankenhausträger (KAGes, Steiermark) initiiert und wird aktuell über Kooperationsverträge verbreitert. Innerhalb dieses Entscheidungsprozesses werden ausschließlich publizierte Assessments (z.B. IQWiG, LBI-HTA) herangezogen, wodurch wenig Infrastruktur geschaffen werden muss. Darüber hinaus werden KlinikerInnen in den Prozess involviert, um die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit der verbindlichen Entscheidungen des MIB in der klinischen Praxis zu erhöhen. Aktuell werden die Entscheidungen jedoch Einzelfall-basiert gefällt. Das dritte Szenario bildet einen Prozess in Anlehnung an die Erstattungsentscheidungen zu medizinischen Einzelleistungen (MEL) ab, unter Schaffung eines eigenen Sonderfonds für hochpreisige Medikamente. Der Prozesseigentümer ist die Bundesgesundheitskommission. Auch in diesem Prozess kann auf das Bestehen einer systematischen Vorgehensweise für die Bewertung von Arzneimitteln zurückgegriffen werden. Aktuell besteht kein Sonderfonds.
Eine transparente, evidenzbasierte, gerechte und effiziente Allokation der vorhandenen Ressourcen zur Rechtfertigung von (schwierigen) Priorisierungsentscheidungen scheint in einer Demokratie unabdingbar. Die Szenarien zeigen jedoch auf, dass sich die Kriterien diametral widersprechen können und demnach zwischen den verschiedenen Handlungsoptionen abgewogen werden muss. SW
LBI-HTA / AT 2018: Arzneimittelerstattung im stationären Sektor in Österreich: Ansätze für einen transparenten und evidenzbasierten Prozess unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen. HTA-Projektbericht 109. https://eprints.aihta.at/1183/