- Aktuelles
- Newsletter
- Newsletter Februar 2015 | Nr. 134
- Anwendungsbeobachtungen
Anwendungsbeobachtungen
Forschung oder Korruption?
Mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes haben die Arbeitsgruppen (AG) Informationsfreiheit (IFG) und Gesundheit von Transparency International (TI) Deutschland Zugang zu bisher unter Verschluss gehaltenen Meldungen zu Umfang und Anlass für AWBs gerichtlich gegenüber der KBV und dem BfArM durchgesetzt, der GKV Spitzenverband erteilte die gewünschten Auskünfte unverzüglich, allerdings wurden die Honorare an die ÄrztInnen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen und ausgespart. Die von TI im Jahr 2011 gestellten gleichlautenden Anträge zu den AWB-Meldungen fragten nach
- Anzahl der gemeldeten Anwendungsbeobachtungen (AWB) 2008-2010
- Hersteller oder meldende Clinical Research Organisation (CRO)
- Ort der AWB, Präparate, Dauer der AWB
- Anzahl der PatientInnen pro AWB, Anzahl der teilnehmenden ÄrztInnen
- Höhe der gezahlten Honorare
- Anteil neu zugelassener Medikamente (< 2 Jahre vor AWB)
- Informationen über Auswertungen und Ergebnisse oder Publikationen.
Zwei rechtskräftige Urteile wurden von Transparency vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin im Juni 2012 gegenüber der KBV und im Juli 2014 vor dem VG Köln gegenüber dem BfArM zur Herausgabe der AWB-Informationen erstritten. Die Listen des GKV Spitzenverbandes und die von der KBV überlassenen Aktenkopien mit insgesamt 6.925 Seiten konnten von den AGs IFG und Gesundheit vollständig ausgewertet werden. Die Transparency laut Gerichtsurteil zustehenden Informationen des BfArM hingegen sind bisher lediglich in Form von Teilauskünften, in einem vergleichsweise schleppenden und mühsamen Verfahren, eingegangen, Ende offen...
Ein langer Weg also, der sich aber gelohnt hat: erstmals konnten die gesetzlich vorgeschriebenen Meldungen an die drei unterschiedlichen Institutionen verglichen werden. Resultat: erschreckend. Die mittlerweile vorliegenden gemeldeten Daten weichen erheblich voneinander ab: unterschiedliche Anzahlen, unvollständige Meldungen, fehlende Beobachtungspläne (ab 2009 gesetzlich vorgeschrieben), fehlende ÄrztInnen-, PatientInnen- und Honorarangaben. Es erfolgten seitens der Institutionen kein Abgleich untereinander und kaum Beanstandungen gegenüber den Meldenden.
Der Aufwand für die AWBs ist hoch: In den drei untersuchten Jahren (2008-2010) war die Teilnahme von insgesamt über einer Million PatientInnen und 126.764 ÄrztInnen (Mehrfachnennungen möglich) in den gemeldeten AWBs vorgesehen. Dafür veranschlagt wurden rund eine halbe Million allein an Honorarkosten pro AWB, für den/die einzelne/n Arzt/in belief sich das durchschnittliche Honorar auf rund 19.000 Euro.
Damit sind AWB ein Instrument unzulässiger Einflussnahme auf ÄrztInnen.
Der wissenschaftliche Nutzen für die Allgemeinheit ist gleich Null, der Schaden hoch: Die Transparenz über Ergebnisse, eine verlässliche öffentliche Registrierung oder Veröffentlichungen der Ergebnisse ist nicht gegeben. Die in AWB erhobenen Daten unterliegen der vertraglich vereinbarten Geheimhaltung und sind Eigentum der Sponsoren.
Die Schlussfolgerung aus drei Jahren mühsamer Arbeit von Transparency lautet: AWB sind keine Forschung sondern Korruption.
Dr. Angela Spelsberg, Arbeitsgruppe Gesundheit und Koordinatorin der Projektgruppe AWB, TI-Deutschland