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- Newsletter Februar 2025 | Nr. 234
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Editorial: Abschied nach 36 Jahren Health Technology Assessment
Die HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) GmbH nahm zwar erst im März 2020 – als Folgeinstitution des LBI-HTA – ihre Arbeit auf, ist aber nun in ihrer Gesamtlaufzeit 19 Jahre alt. Ich hatte die erfreuliche Aufgabe, seit Beginn 2006 dieses Institut zunächst aufzubauen, dann zu leiten. Wer mich kennt, weiß, dass ich dies mit großer Leidenschaft tat. Mit 65 Jahren verabschiede ich mich nun und weiß aber, dass das Institut in exzellente „Hände“ übergeht. Meine erfahrene Kollegin und langjährige Stellvertreterin Dr. Ingrid Zechmeister-Koss übernimmt die Leitung. Als neue Stellvertretung konnte Dr. Sabine Geiger-Gritsch gewonnen werden.
Ich hatte das große Privileg, bereits am Anfang meiner beruflichen Tätigkeit meine (berufs-)lebenslange Erfüllung zu finden: die kritische Analyse technologischer Erfindungen, oft als Innovation bezeichnet, aber eben nicht immer tatsächlich innovativ. Aufgrund meiner Ausbildung wollte ich Investigativ-Journalistin werden und besuchte in den USA sogar kurzzeitig eine Journalistenschule, die ich dann für Vorlesungen in Politikwissenschaft eintauschte. Dabei begriff ich erstmals den enormen wirtschaftlichen Einfluss auf Politikgestaltung, oder pointierter: ich erkannte die Strategien der Beeinflussung der Politik. Später lernte ich an der Forschungsstelle für Technikbewertung, heute Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Fachdisziplin HTA kennen und begriff rasch die Verwandtschaft von Investigativ-Journalismus und HTA.
Mein beruflicher Lebensweg ist durch weitsichtige Menschen geprägt worden: zunächst Prof. Dr. Ernest Braun, der mir die Auseinandersetzung mit HTA als Aufgabe gab, dann Prof. Dr. Gunther Tichy, der mich völlig eigenständig das Arbeitsgebiet ausbauen ließ, danach die Ludwig Boltzmann-Gesellschaft und ihre Geschäftsführerin Mag. Claudia Lingner, die nach einer Ausschreibung mit Hearing keine Scheu hatte, die „heiße Kartoffel“ Health Technology Assessment anzugreifen und ein gleichnamiges Institut zu gründen. Die Gesundheitspolitik war anfangs noch recht distanziert und wäre es wahrscheinlich auch geblieben, wenn nicht wieder weitsichtige Persönlichkeiten auf den Plan getreten wären: Dr. Josef Probst (HVB), Dr. August Gomsi (KAGes), Dr. Clemens Auer (Gesundheitsministerium). Ich bedanke mich, bei all diesen Wegbegleitern, dass sie an HTA (und ein bisschen auch an mich) glaubten. Dann gab es da noch die Kurzsichtigen, die HTA als akademische Spielwiese abtaten und das Potential von transparenter Politikunterstützung nicht erkannten. Heute haben sie ihre Haltung geändert.
Eine Denkwerkstatt ist nur so gut wie ihre Mitarbeiter*innen: diese haben den wesentlichen Beitrag geleistet, dass das AIHTA heute international und national einen akademisch-exzellenten, aber auch unkorrumpierbaren Ruf hat. Ich danke ihnen dafür! Unsere Reputation hat – so behaupte ich – damit zu tun, dass wir in systemischen und Public Health Kontexten denken. Das AIHTA arbeitet also nicht nur auf Mikroebene der Nutzenbewertung von medizinischen Interventionen, sondern betrachtet auch das Umfeld: wie werden Märkte vorbereitet und bearbeitet, welche Einflussnahmen gibt es, welche Politikinstrumente sind kontraproduktiv, welche können solidarische Zielsetzungen befördern, welche sozialmedizinischen Leistungen bleiben auf der Strecke, wenn die Ressourcen von der HighTech-Medizin usurpiert werden….
Ich würde mir sehr wünschen, dass diese breite Perspektive auch in Zukunft Bestand hat.
Priv.-Doz. Dr. phil Claudia Wild – nun ehemalige Geschäftsführerin des AIHTA