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- Newsletter November 2021| Nr. 202
- Editorial: Offener Brief von ehemaligen Gesundheitsminister*innen (und vielen anderen Persönlichkeiten) zur Covid-19 Impfstoff-Patentfreigabe
Editorial: Offener Brief von ehemaligen Gesundheitsminister*innen (und vielen anderen Persönlichkeiten) zur Covid-19 Impfstoff-Patentfreigabe
Nichts macht die derzeitige Spaltung unserer Welt so deutlich sichtbar wie die drastische Ungleichheit beim Zugang zu Covid-19-Impfstoffen. Bislang wurden knapp 70 % aller Impfdosen in nur 10 Ländern verabreicht. Während die wohlhabendsten europäischen Regierungen Impfstoffe weit über ihren Bedarf hinaus beschafft haben, konnten in Ländern mit niedrigen Einkommen bisher erst knapp 4 % der Bevölkerung geimpft werden. Bei anhaltend hohem Infektionsgeschehen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Virusmutationen entstehen, die sich rasch weltweit verbreiten können. Leider haben bisher alle Mechanismen zur Verteilung der Impfstoffe und zum Teilen der vorhandenen Technologien versagt: Dem internationalen Verteilungsmechanismus Covax fehlen allein in diesem Jahr eine halbe Milliarde Dosen. C-Tap, der freiwillige Pool zum Teilen von Technologie und Patenten der WHO, ist bisher leer geblieben. Das zeigt uns: Um die massive Ungleichheit bei Impfungen und der medizinischen Versorgung von Covid-Betroffenen zu beenden, brauchen wir weitere politische Maßnahmen.
Obwohl der größte Teil der derzeit zugelassenen Impfstoffe mit öffentlichen Geldern entwickelt wurde, hindern Patente und andere geistige Eigentumsrechte Länder mit Produktionskapazitäten daran, die Impfstoffe selbst herzustellen. Zusammenarbeit und Transparenz sollten eigentlich die Produktion von medizinischem Wissen kennzeichnen, werden aber durch Geheimhaltung und Verdrängungswettbewerb ersetzt. Das verlängert die Pandemie weltweit, schafft die Bedingungen für neue und gefährliche Virus-Varianten und führt zu unzähligen Todesfällen und unermesslichem Leid. All das könnte verhindert werden! Weltweit gibt es ungenutzte Produktionskapazitäten für Covid-Impfstoffe, Medikamente und medizinische Ausrüstung. Zahlreiche Hersteller könnten produzieren, erhalten aber keine Lizenzen. Seit Oktober 2020 fordern die Länder des globalen Südens eine vorübergehende Aussetzung der globalen Patentregeln für Covid-Impfstoffe, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung für die Dauer der Pandemie - den sogenannten TRIPS-Waiver. Aber bislang blockieren die EU, die Schweiz und Großbritannien diesen Vorschlag in der WTO.
Die durch Patentrechte gedeckten Monopole der Konzerne führen zu einer künstlichen Verknappung und überteuerten Preisen für Impfstoffe und Medikamente. Mit anderen Worten: Genau jene Länder, die Impfstoffvorräte gehortet haben, hindern Länder, die praktisch keine Vorräte haben, daran ihre eigenen Impfstoffe zu produzieren und sie weltweit kostengünstig zur Verfügung zu stellen.
Prominente Gesundheitsexpert*innen und namhafte Persönlichkeiten aus Ökonomie, Politik und Wissenschaft – darunter die ehemaligen Gesundheitsminister*innen Rudolf Anschober, Maria Rauch-Kallat, Alois Stöger und Ex-Vizekanzler Clemens Jabloner – fordern in einem offenen Brief eine Freigabe der Impfstoffpatente (http://bit.ly/patente-freigeben).
Priv. Doz. Dr. Claudia Wild, Geschäftsführerin der HTA Austria – AIHTA GmbH