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- Newsletter Oktober 2024 | Nr. 231
- Editorial: Paxlovid: ein „Magic Bullet” zwischen Mythos und Evidenz
Editorial: Paxlovid: ein „Magic Bullet” zwischen Mythos und Evidenz
Wie schon 2023, wird auch in diesem Herbst Werbung für das „wirksame und nebenwirkungsarme“ Arzneimittel Paxlovid® (Nirmatrelvir und Ritonavir) der Firma Pfizer gemacht, da es „schwere Krankheitsverläufe, die Krankheitsdauer und das Risiko von Long Covid“ reduziere. Die bis dato publizierten fünf randomisierten-kontrollierten Studien (RCTs) sind da nicht so euphorisch.
Zwar zeigte der erste von Pfizer unterstützte und im Februar 2022 publizierte RCT (1) bei ungeimpften, symptomatischen, nicht-hospitalisierten Personen noch eine signifikante Reduktion von COVID-19-Hospitalisationen im Vergleich zu Placebo (0,8% vs. 7%). Zwei Jahre später fand sich jedoch in einem ebenfalls von Pfizer unterstützten RCT (2), an dem ungeimpfte und geimpfte Personen teilnahmen, kein signifikanter Unterschied mehr bei der Symptomdauer zwischen Paxlovid (12 Tage) und Placebo (13 Tage).
Auch eine Postexpositions-Prophylaxe mit Paxlovid für 5 bis 10 Tage konnte im Vergleich zu Placebo die Häufigkeit von symptomatischen Fällen nicht signifikant reduzieren (3) und eine 15-tägige Einnahme von Paxlovid führte zu keiner signifikanten Verbesserung der Symptomatik im Vergleich zu Placebo-Nirmatrelvir (4). In einem aktuellen, allerdings nicht verblindeten RCT (5), führte die Einnahme von Paxlovid im Vergleich zur Standardversorgung zu keiner Reduktion der Krankenhaushäufigkeit, aber zu geringen Unterschieden bei drei Monate anhaltender Symptomatik und Krankenständen.
Bereits im November 2022 hat das Robert-Koch-Institut ausführlich über die unzähligen Arzneimittelwechselwirkungen von Paxlovid berichtet, die insbesondere bei „älteren Menschen und Personen, die an mehreren chronischen Krankheiten leiden“ von Bedeutung sind. Umso wichtiger ist es die Packungsbeilage zu den vielen Wechsel- und Nebenwirkungen genau zu lesen.
Speziell bei sehr teuren Medikamenten (Paxlovid Packungspreis > € 1.000) sollte nicht nur der Nutzen eindeutig belegt sein und bei der Verschreibung auf ein positives Nutzen/Risikoverhältnis geachtet werden, sondern auch ökonomische Überlegungen eine Rolle spielen. Die Mittel im Gesundheitsbereich sind nicht unendlich und auch Paxlovid hat ein Ablaufdatum.
Dr. med. Martin Sprenger, MPH, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Universität Graz , martin.sprenger@medunigraz.at
Referenzen
- Hammond J, et al. Oral Nirmatrelvir for High-Risk, Nonhospitalized Adults with Covid-19. NEJM, 2022. 14;386(15):1397-408.
- Hammond J, et al. Nirmatrelvir for Vaccinated or Unvaccinated Adult Outpatients with Covid-19. NEJM, 2024. 4;390(13): 1186-1195.
- Hammond J, et al. Oral Nirmatrelvir-Ritonavir as Postexposure Prophylaxis for Covid-19. NEJM, 2024. 18;391(3):224-234.
- Geng LN, et al. Nirmatrelvir-Ritonavir and Symptoms in Adults With Postacute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection: The STOP-PASC Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med, 2024. 1;184(9):1024-1034.
- Harris V, et al. Health outcomes 3 months and 6 months after molnupiravir treatment for COVID-19 for people at higher risk in the community (PANORAMIC): a randomised controlled trial. Lancet Infect Dis. 2024