Kosten- und Budgetfolgenanalyse eines Ausbaus tageschirurgischer Leistungserbringung bei ausgewählten Indikationen

Projektleitung: Ingrid Zechmeister-Koss
Projektbearbeitung: Ingrid Zechmeister-Koss
Laufzeit: April 2013 – Mai 2014
Publikation: LBI-HTA Projektbericht Nr. 71: https://eprints.aihta.at/1035
Sprache: Deutsch
Hintergrund:
Im internationalen Vergleich mit beispielsweise den USA, UK oder Skandinavien werden in Österreich wesentlich weniger Leistungen tagesklinisch erbracht. Die Gründe dafür sind vor allem kürzere Wartelisten, ein größeres stationäres Angebot und eine andere Anreizsituation in Österreich. Wenn die tagesklinische Leistungserbringung im Vergleich zur vollstationären Behandlung keine Sicherheits- oder Wirksamkeitsmängel aufweist, stellt eine überdurchschnittlich hohe Rate an vollstationären Behandlungen eine ineffiziente Ressourcenverwendung dar, die die Budgets der Spitalserhalter belastet. Gleichzeitig erfordert das im Rahmen der Gesundheitsreform definierte Ziel einer Einschränkung des Ausgabenwachstums – gerade im Spitalsbereich – die Identifikation von Rationalisierungspotenzialen.
Projektziel:
Das Projekt hat das Ziel, die Kosten von chirurgischen Eingriffen, die laut einer bereits vorliegenden Evidenzanalyse des Ludwig Boltzmann Instituts für HTA [1] sowohl tagesklinisch als auch stationär sicher durchführbar sind, aus Sicht der Krankenanstaltenträger zu vergleichen und die Budgetfolgen einer verstärkt tagesklinischen Leistungserbringung zu ermitteln. Hierbei soll - neben der Darstellung des Ist-Zustandes - die Berechnung verschiedener Zukunftsszenarien erfolgen.
Die Evaluierung wird sich auf eine definierte Anzahl von operativen Eingriffen beschränken, die anhand bestimmter Kriterien (siehe Methoden) priorisiert werden.
Forschungsfragen:
• Wie ist der Ist-Zustand der Leistungserbringung (tagesklinisch vs. stationär) in Österreich und in den einzelnen Bundesländern bei den ausgewählten Leistungen charakterisiert?
• Wie hoch sind die direkten medizinischen Kosten der ausgewählten tagesklinisch durchführbaren Leistungen im Vergleich zur stationären Leistungserbringung unter Berücksichtigung etwaiger unerwarteter Spitalsaufnahmen oder Wiederaufnahmen?
• Welche Budgetfolgen ergeben sich unter Berücksichtigung sozio-demographischer Entwicklungen bei einer Ausweitung der tagesklinischen Leistungserbringung der ausgewählten Interventionen für die Krankenanstaltenträger?
Methoden:
A) Exkurs: Auswahl der Leistungen (siehe auch Anhang)
• Vorauswahl der zu betrachtenden Leistungen nach Häufigkeit und Sicherheit:
o Leistungen, die 2011 insgesamt mehr als 10.000 mal abgerechnet wurden und hierbei auch nach dem Tagesklinikmodell abgerechnet werden können,
o Eingriffe aus den 15 häufigsten operativen medizinischen Leistungen aus dem Jahr 2011, die international tagesklinisch erbracht werden,
o Evidenz zur Sicherheit dieser Leistungen [1].
• Priorisierung der vorausgewählten chirurgischen Leistungen nach folgenden Kriterien (basierend auf dem externe Manual des LBI-HTA [2]):
o Interventionshäufigkeit,
o Punktwerte der Leistung laut Leistungskatalog,
o Multiplikation der Interventionshäufigkeit mit dem entsprechenden Punktwert der Intervention laut Leistungskatalog (als Indikator für Kosten),
o Interventionen mit einem Gesamtpunktewert von ? 30 Mio.
• Daraus ergeben sich folgende Interventionen für eine detaillierte Analyse:
o BF 020 Kataraktoperation,
o EK 050 Varizenentfernung (Stripping),
o HM 110 Laparoskopische Cholezystektomie,
o LM 080 Verschluss Inguinalhernie,
o NF 020 Arthroskopische Operationen am Kniegelenk.
• Da es zu den Budgetfolgen einer verstärkt tagesklinisch durchgeführten Kataraktoperation bereits rezente Vorarbeiten der Gesundheit Österreich GmbH gibt [3], wird diese Indikation in dieser Studie nicht behandelt, sodass die verbleibenden vier chirurgischen Leistungen in die Endauswahl aufgenommen werden.
B) Detailanalyse:
• Analyse des tagesklinischen und stationären Leistungsgeschehens der ausgewählten Leistungen: Entwicklungen im Zeitverlauf, bundesländerspezifische Unterschiede und politischen Zielvorgaben, Kontrastierung mit internationalen Daten,
• Analyse der direkten medizinischen Kosten für tagesklinische und vollstationäre Leistungserbringung auf Basis von Routinedaten der Fondskrankenanstalten, die den Landesgesundheitsfonds bzw. dem Bundesministerium für Gesundheit übermittelt werden,
• Budgetfolgenanalyse einer Ausweitung tagesklinischer Leistungserbringung (und somit Verringerung stationärer Leistungen) aus der Perspektive der Fonds-Krankenanstaltenträger (in Anlehnung an die Vorarbeiten der Gesundheit Österreich GmbH zu „Verlagerung von Kataraktoperationen in Tageskliniken“):
o Berechnung für einen kurzfristigen Zeithorizont bis zum Jahr 2016 (entspricht methodischen Standards einer Budgetfolgenanalyse und der ersten Periode der Finanzzielsteuerung der Gesundheitsreform),
o grobe Schätzung für einen Zeithorizont bis 2020 (entspricht der zweiten Periode der Finanzzielsteuerung der Gesundheitsreform),
o Aufbereitung der Ergebnisse nach Bundesländern und für Österreich gesamt,
o Sensitivitätsanalyse der unsicheren Parameter (Entwicklung Demographie, Anteil Tagesklinik und Kosten) zur Ermittlung der Kostendifferenz im „best case scenario“ und „worst case scenario“ für die gewählten Zeithorizonte,
o Entsprechend den methodischen Standards der Budgetfolgenanalyse wird keine Diskontierung der Kosten erfolgen.
• Datenquellen:
o Kostendaten: Routinedaten des Dokumentations- und Informationssystems für Analysen im Gesundheitswesen (DIAG), die von den Landesgesundheitsfonds in Abstimmung mit dem Ludwig Boltzmann Institut (LBI-HTA) für die gezielten Fragestellungen ausgewertet werden und dem LBI-HTA für die weiteren Berechnungen zur Verfügung gestellt werden,
o Daten zur Entwicklung / Prognose der gewählten Indikationen und Demographien (Bevölkerung, Inflation, etc.): Daten aus Diagnosen- und Leistungsdokumentation der Statistik Austria sowie Daten der WHO, OECD und IASO,
o Daten zu ungeplanten stationären Aufnahmen, Wiederaufnahmen bzw. Einweisungen in die Notaufnahme aus Vorarbeiten des LBI-HTA [1], Daten/Information der Krankenanstaltenträger bzw. Landesgesundheitsfonds, nationale/internationale Berichte (z.B. Rechnungshof).
Zeitplan/Meilensteine:
Mai-Juli 2013: Datensammlung in Abstimmung mit den Landesgesundheitsfonds, Berechnung
Juni-Oktober 2013: Berichterstellung
Ende Oktober 2013: Review, Fertigstellung Bericht
Literatur:
1. Fischer, S. and I. Zechmeister-Koss, Tageschirurgie:Systematischer Review. HTA-Projetbericht Nr. 64, 2012, Ludwig Boltzmann Institute for Health Technology Assessment: Wien.
2. Wild, C., et al., (Externes) Manual. Selbstverständnis und Arbeitsweise, 2006, Ludwig Boltzmann Institut für HTA: Wien.
3. Rosian-Schikuta, I., et al., Verlagerungen von Kataraktoperationen in Tageskliniken: Evidenz, Ist-Stand, Budgetauswirkung, 2013, Gesundheit Österreich GmbH: Wien. p. 46.
Anhang: Auswahl der Leistungen
Indikation / Leistung inkl. Code | Häufigkeit Leistung | Rang Häufigkeit | LKF-Punkte der Diagnose | Häufigkeit x Punkte | Tagesklinische Leistungserbringung(Anteil an Gesamtleistungen in %) | Tageschirurgie sicher? | |
Augenheilkunde | b BF020 Kataraktoperation (extrakapsulär) | 79.147 | 1 | 1.252 (MEL15.05) | 99,1 Mio. | 37.671 (47,6%) | ja |
b BA010 Korrektur des Augenlids | 11.999 | 10 | 1.108 (MEL15.01) | 13,2 Mio. | 5.149 (39,7%) | Unklar (nicht bewertet) | |
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde | b CB010 Paracentese (Durchstechung Trommelfell) | 12.360 | 8 | 932-1.493 (MEL04.04) | 11,5-18,4 Mio. | 4.235 (34,3%) | Keine eindeutige Evidenz zu Sicherheit vorh. |
Operationen Kopf-Hals-Bereich | b FA010 Adenotomie (Entfernung Rachenmandeln) | b 13.279 | 6 | 932-1.493 (MEL04.04) | b 12,3-19,8 Mio. | b 2.898 (21,8%) | b ja |
Gynäkologie / Urologie | b JK030 Curettage (Ausschabung Gebärmutter) | 35.440 | 2 | 1.153-3.107 (MEL13.07) | 40,8-110,1 Mio. | 11.125 (31,4%) | Keine eindeutige Evidenz zu Sicherheit vorh. |
Allgemeinchirurgie | b HH 040/ HH 050 Appendektomie (Entfernung Wurmfortsatz) àBDU 1-2 Tage | 12.673 | 12 | 2.226-3.471 (MEL06.06) | 28,2-43,9 Mio. | 253 (0,02%)* | Keine eindeutige Evidenz zu Sicherheit vorh. |
b EK050 Varizenentfernung (Stripping) | 17.745 | 4 | 1.916-4.585 (MEL09.03) | 34-81,3 Mio | 1.562 (8,8%) | ja | |
b HM 110 Laparoskopische Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) à BDU:2-4 Tage | 16.315 | 5 | 3.149-6.677 (MEL05.05) | 51,3-108,9 Mio. | 816 (0,05%)* | ja | |
b LM080 Verschluss Inguinal-oder Femoralhernie (offen) | 12.152 | 9 | 2.226-3.471 (MEL06.06) | 27-42,1 Mio. | 231 (1,9%) | ja | |
b LM100 Verschluss Ventralhernie (offen) | 10.080 | 13 | 2.226-3.471 (MEL06.06) | 22,4-35 Mio. | 251 (2,5%) | Unklar (nicht bewertet) | |
Orthopädie | b NF020 Arthroskopische Operationen am Kniegelenk | 33.258 | 3 | 1.607-7.173 (MEL 14.21) | 53,4-238,6 Mio. | 2.751 (8,3%) | ja |
b NZ010 Entfernung von Osteosynthesematerial |
11.993 | 11 | 1.583-2.198 (MEL14.23) | 19 -26,4 Mio. | 3.018 (25,2%) | Keine eindeutige Evidenz zu Sicherheit vorh. | |
b AJ070 Dekompression des Nervus medianus (offen) | 12.984 | 7 | 3.314 (MEL02.02) | 43 Mio. | 5.149 (39,7%) | Keine eindeutige Evidenz zu Sicherheit vorh. |
BDU: Belagsdaueruntergrenze; MEL: medizinische Einezlleistung; * diese Leistung ist im MEL-Katalog nicht als tagesklinische Leistung definiert, Angabe entspricht der Anzahl an 0-Tagesaufenthalten;
Farblegende:
Fehlende Evidenz für Sicherheit | Häufige operative Leistungen, die international tageschirurgisch erbracht werden | Leistungen mit ? 30 Mio Gesamtpunkten/Jahr | Evidenz für Sicherheit bei tagesklinischer Leistungserbringung |