Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zählen mit einer weltweiten Häufigkeit zwischen neun und 22 Prozent zu den häufigsten Erkrankungen. Aufgrund der hohen Krankheitslast und dem steigenden Bedarf nach Versorgung dieser Patient*innengruppe einerseits, und gleichzeitigen Engpässen in der Versorgung andererseits, gibt es zunehmend Überlegungen zu anderen Versorgungsmodellen. Das AIHTA hat nun in einem Bericht die aktuelle Versorgungssituation in Österreich internationalen Modellen und Strategien gegenübergestellt. Dazu wurden zusätzlich messbare Merkmale (Indikatoren) analysiert, die zur Planung und zum Monitoring von Versorgungsstrukturen für diese Patient*innengruppe verwendet werden können. Das Fazit: Das AIHTA empfiehlt die Schaffung einer eigenständigen nationalen Strategie, welche die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt rückt.
Für die Analyse wurden aus 128 Dokumenten zwölf aus sieben Ländern ausgewählt. Aus den Dokumenten wurden Daten zu folgenden Themenfeldern extrahiert: Informationsmaßnahmen, Prävention/ Gesundheitsförderung, Früherkennung, Behandlung, Telemedizin, Behandlungspfade, Transitionspsychiatrie, gefährdete Patient*innengruppen, Patient*innenbeteiligung, Infrastruktur, Entwicklung/ Ausbildung der Fachkräfte, Implementierung, digitales Fallmanagement, und Datenerfassung/ Versorgungsforschung. Darüber hinaus wurden 121 Indikatoren zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ermittelt. In Österreich gibt es derzeit zwei relevante Strategien (die nationale Strategie zur psychischen Gesundheit, und die Kinder- und Jugendstrategie des Bundes), jedoch keine eigenständige Strategie oder umfassendes Konzept zur Prävention für die psychische Gesundheit spezifisch für Kinder und Jugendliche. Da die beiden bestehenden Strategien aus Österreich die international identifizierten Themenfelder nur in begrenztem Umfang beschreiben, ist die Schaffung einer solchen eigenständigen Strategie für diese Population anzustreben. In dieser Strategie sollte die Förderung psychischer Gesundheit, die Prävention und die Versorgung in einer gemeinsamen Vision integriert sein.
Die Weiterentwicklung der Strategien und Versorgungsstrukturen sollte partizipativ und sektorenübergreifend erfolgen (Gesundheit, Bildung, Soziales und Jugendjustiz). Dabei bedarf es auch einer Weiterentwicklung der Versorgungspfade, Personalausbildungen, und einer wissenschaftlich fundierten Steuerung von Programmen und Initiativen. Um dem derzeitigen Mangel an stationären Betten und Psychiater*innen entgegenzuwirken, könnten ambulante und bedarfsorientierte Dienste (z.B. Home-Treatment) weiter ausgebaut werden. Außerdem spielt der Bildungssektor eine wesentliche Rolle und sollte durch zusätzliches Personal und Schulungen zur psychischen Gesundheit unterstützt werden. Priorisierte Indikatoren und begleitende Versorgungsforschung sollten eingesetzt werden, um einen besseren Umgang mit Versorgungslücken und gefährdeten Patient*innengruppen zu schaffen. RJ