Prozess und Bewertung digitaler Gesundheitsanwendungen am Beispiel von „Symptom Checkers“

Projektleitung: Reinhard Jeindl
Projektbearbeitung: Reinhard Jeindl, Gregor Goetz
Laufzeit: April 2021 – November 2021
Sprache: Deutsch (mit englischer Zusammenfassung)
Publikation: HTA Projektbericht Nr. 141: https://eprints.aihta.at/1348/
Hintergrund: mHealth („mobile Health“) ist als Komponente von eHealth definiert und bedeutet den Einsatz von mobilen Geräten wie Mobiltelefonen, Patient*innenüberwachungsgeräten, persönlichen digitalen Assistenten und anderen drahtlosen Geräten im medizinischen Kontext bzw. im Kontext der (öffentlichen) Gesundheitsversorgung [1]. Die Erwartungen an die Entlastung des Gesundheitssystems durch diese digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind hoch, wenngleich für die Mehrzahl der verfügbaren DiGA wenig Evidenz zum tatsächlichen Nutzen vorliegt. Aufgrund der iterativen Entwicklung und Software-Updates von DiGA ergeben sich entsprechende Herausforderungen in der Evaluation [2]. Die gründliche Evaluation von DiGA, welche erstattet resp. bezuschusst werden, erfordert ein nachvollziehbares methodisches Vorgehen.
In dem Projektbericht 2020 zu mHealth [3] wurde ein abgestuftes Vorgehen zur Bewertung DiGA in Österreich empfohlen. In einem ersten Schritt soll dabei die Überprüfung der CE-Kennzeichnung sowie eine Einteilung in Risikoklasse nach Medizinproduktverordnung EU MDR 2017/745 erfolgen [4]. Die DiGA sollte anschließend mit entsprechend geforderten Evidenzstufen des NICE Evidence Standards Frameworks [5]abgeglichen werden. Die vorliegende Evidenz der DiGA soll evaluiert und relevante HTA-Aspekte, unter Berücksichtigung des HTA Module for Mobile Medical Applications [6] und dem Digi-HTA Framework [7] hervorgehoben werden.
Dieses in [3]beschriebene methodische Konzept zur Evaluierung von digitalen Gesundheitsanwendungen wurde bisher nicht erprobt. In diesem Folgeprojekt soll ein Vorgehen konzipiert werden, wie dieser Bewertungsprozess konkret in den Erstattungsprozess eingebettet werden könnte und welche Voraussetzungen an DiGA gestellt werden, bevor diese in die Versorgung integriert werden.
Zur Pilotierung des Bewertungsframeworks soll eine DiGA aus der Gruppe der „Symptom Checker“ anhand der vorliegenden Evidenz bewertet und mit ähnlichen/ gleichen Anwendungen verglichen werden („Symptoma“ und ggf. eine weitere mHealth Anwendung aus der Kategorie Symptom Checker) [8, 9]. Als Ergebnis soll eine verfeinerte praxistaugliche Prozesskonzeption vorliegen.
Projektziel und Forschungsfragen: Aufbauend auf einem bereits erarbeiteten groben Evaluationsmodell ist das Projektziel dieser Arbeit, den Bewertungsprozess für DiGA in Österreich weiter zu konzipieren und diesen zu pilotieren. Folgende Forschungsfragen sollen beantwortet werden:
FF1: Wie kann der potentielle Nutzen von digitalen Gesundheitsanwendungen unter Berücksichtigung des bereits konzipierten Bewertungsframeworks vor einer Evaluierung bez. ASVG-Relevanz kategorisiert werden: nach Anwendungs- und Anwenderprofil, Komparatoren, erwarteten und erwünschten Endpunkten?
FF2: Welche technologie-spezifischen Anforderungen müssen DiGA erfüllen, bevor sie einer umfassenden Evaluation zum Nutzen unterzogen werden?
FF3: Welche Evidenz zum (medizinischen oder organisatorischen) Nutzen liegt für ausgewählte DiGA (aus der Gruppe der „Symptom Checker“) vor und wie stellt sich diese im Vergleich zu den Anforderungen dar?
FF4: Welche weiteren Prozessschritte sind nach Adaption des Bewertungsframeworks in einer Feinkonzeption zu integrieren?
Methode: Zur Beantwortung der Forschungsfragen kommen folgende Methoden zum Einsatz:
FF1: Handsuche der in öffentlichen (deutschen, belgischen, britischen) Registern aufgenommenen DiGA, sowie jener, die in Österreich entwickelt wurden, resp. in Entwicklung sind. Kategorisierung und Übersicht nach Zielgruppen (Anwender), Indikationen, Art von Komparatoren, Endpunkten; ergänzende Expert*innenbefragung zu DiGA in Österreich.
FF2: Auswahl der in FF1 identifizierten österreichischen DiGAs, Überprüfung CE-Kennzeichnung und Einteilung nach Risikoklasse, Übersicht zu vorliegenden Angaben der DiGAs zu Datenschutz, Interoperabilität (insbes. ELGA) und Transparenz der Algorithmen (gemäß HTA-Module for Mobile Medical Applications und Digi-HTA Framework).
FF3: Systematische Übersicht zu Ergebnissen (Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit) der ausgewählten DiGA aus der Gruppe der „Symptom Checker“. Anschließend Abgleich mit Evidenz- und Evaluationsanforderungen des im Teil 1 erarbeiteten Evaluationsmodells (Evidenzanforderungen: NICE Evidence Standards Framework; Evaluationsanforderungen: HTA Module for Mobile Medical Applications, Digi-HTA Framework).
FF4: Revision der Prozessschritte des Bewertungsframeworks, Analyse des HEK-Prozesses oder ÖGK-Positivlisten/ Honorarordnungen (Expert*innenbefragung, Dokumentenanalyse)
Für FF3 wird eine systematische Literatursuche in mehreren Datenbanken (Medline, Embase, Cochrane Library, INAHTA-HTA, CRD, etc.) durchgeführt. Diese wird ergänzt durch eine Handsuche (Webpages von Public Health-, HTA- und EbM-Forschungsinstitutionen).
Einschlusskriterien für die systematische Literatursuche:
Population |
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Intervention |
Symptom Checker (webbasiert und/oder Smartphone-App):
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Comparators |
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Outcomes (Endpunkte) |
Wirksamkeit
Sicherheit
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Studiendesign |
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Publikationszeitraum |
Keine Einschränkung |
Sprache |
Deutsch, Englisch |
Zeitplan/Meilensteine:
Zeitraum |
Aufgabe |
April – Juni |
Scoping, Projektprotokoll, Handsuche zu DiGA in mehreren Registern (ggf. systematische Literatursuche), Auswahl und Aquisition |
Juli |
Sichtung der Literatur, Dokumentenanalyse, Berichterstellung |
August – September |
Berichterstellung |
Oktober – November |
Interner und externer Review, Überarbeitung, Finalisierung |
Referenzen:
[1] Kramer U., Borges U., Fischer F., Hoffmann W., Pobiruchin M. and Vollmar H. C. [DNVF-Memorandum - Health and Medical Apps]. Gesundheitswesen. 2019;81(10):e154-e170. Epub 2019/10/02. DNVF-Memorandum - Gesundheits- und Medizin-Apps (GuMAs). DOI: 10.1055/s-0038-1667451.
[2] Tarricone R., Petracca F., Ciani O. and Cucciniello M. Distinguishing features in the assessment of mHealth apps. Expert Review of Pharmacoeconomics & Outcomes Research. 2021:1-6. DOI: 10.1080/14737167.2021.1891883.
[3] Jeindl R. and Wild C. Framework zur Unterstützung von Refundierungsentscheidungen zu digitalen Gesundheitsanwendungen (mHealth) und dessen (retrospektive) Anwendung an ausgewählten Beispielen. AIHTA Projektbericht Nr.: 134. AIHTA - Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH: 2020 [cited 16.04.2021]. Available from: https://eprints.aihta.at/1279/1/HTA-Projektbericht_Nr.134.pdf.
[4] Medical Device Coordination Group (MDCG). Guidance on Qualification and Classification of Software in Regulation (EU) 2017/745 – MDR and Regulation (EU) 2017/746 – IVDR. 2019. Available from: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/37581.
[5] National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Evidence Standards Framework for Digital Health Technologies. 2019 [cited 07.08.2020]. Available from: https://www.nice.org.uk/Media/Default/About/what-we-do/our-programmes/evidence-standards-framework/digital-evidence-standards-framework.pdf.
[6] Moshi M. R., Tooher R. and Merlin T. Development of a health technology assessment module for evaluating mobile medical applications. International Journal of Technology Assessment in Health Care. 2020:1-10.
[7] Haverinen J., Keränen N., Falkenbach P., Maijala A., Kolehmainen T. and Reponen J. Digi-HTA: Health technology assessment framework for digital healthcare services. Finnish Journal of eHealth and eWelfare. 2019;11(4). DOI: 10.23996/fjhw.82538.
[8] Symptoma GmbH. Symptoma Digital Health Assistant. 2021 [cited 16.04.2021]. Available from: https://www.symptoma.com/en/medical-device.
[9] NIHR - National Institute for Health Research. Digital and online symptom checkers and assessment services for urgent care to inform a new digital platform: a systematic review. 2019 [cited 16.04.2021]. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK545124/pdf/Bookshelf_NBK545124.pdf.