Schweregraddifferenzierte Rehab und entsprechende Refundierung (Neuro- und Traumarehabilitation)

Laufzeit: September 2008 - Mai 2010
Projektbearbeitung (Teil 1): Christoph Pammer, Muna Abuzahra, (Teil 2): Muna Abuzahra, Brigitte Piso,
(Teil 3): Muna Abuzahra, Brigitte Piso
Zeitraum: 09/2008 - 05/2010
Vorgeschlagen von: HVB
Publikationen:
HTA-Projektbericht 23a (Teil 1): https://eprints.aihta.at/866
HTA-Projektbericht 23b (Teil 2): https://eprints.aihta.at/867
HTA-Projektbericht 23c (Teil 3): https://eprints.aihta.at/879
Teil 1: Schweregraddifferenzierung in der Neuro- und Traumarehabilitation. Messinstrumente bei Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma (abgeschlossen)
Teil 2: Internationale Erfahrungen zur Qualitäts-, Performancemessung und Vergütung (abgeschlossen)
Teil 3: Status quo in Österreich (abgeschlossen)
Teil 1
Hintergrund: Die Evidenz, dass die Implementierung von struktur- und prozessgesteuerten Systemen zur Qualitätssicherung der neurologischen Rehabilitation eine Verbesserung der funktionalen Gesundheit der Patient/innen mit sich bringt ist begrenzt. Diese Erkenntnis legt nahe, auch zum Zwecke des Qualitätsmanagements nach Indikatoren zu suchen, die eine ergebnisorientierte Messung der funktionalen Gesundheit ermöglichen. Da die neurologische Rehabilitation darauf abzielt, nicht nur körperliche Funktionen und Organfunktionen wiederherzustellen, sondern den Patienten/innen auch die gesellschaftliche Teilhabe wieder zu ermöglichen, wurden neben einfachen Funktions-Scores auch eine Vielzahl von Instrumenten zur Beurteilung der Aktivität und der Partizipation entwickelt und validiert. Eine umfangreiche, mehrdimensionale Beurteilung des Gesundheitszustands bildet eine ausreichende Grundlage, um optimierende Allokationsentscheidungen in der Rehabilitation zu treffen, eine standardisierte Rehabilitationsplanung zu ermöglichen und um den Erwartungen der Patient/innen und Kostenträger an das Ergebnis der Rehabilitation gerecht zu werden.
Im ersten Teil des Projektes zur Schweregradifferenzierung in der Neuro- und Traumarehabilitation sollten Messinstrumente zur Schweregrad- und Ergebnisbewertung in der Neuro- und Traumarehabilitation anhand von zwei ausgewählten Diagnosegruppen (Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma) dargestellt sowie deren Testgüte bewertet werden.
Methode: Mittels systematischer Literatursuche und Handsuche wurden 2527 Publikationen identifiziert, von denen auf Basis der Einschlusskriterien 167 Volltext-Artikel in die Analyse eingeschlossen wurden.
Ergebnisse: Zur Schweregraddifferenzierung und Ergebnisbeurteilung bei Schlaganfall weisen diagnosespezifische Messinstrumente bessere Testgüte als generische (diagnoseübergreifende) Instrumente auf. Aufgrund der Beurteilung nach den Testgütekriterien können die National Institut of Health Stroke Scale (NIHSS), der Beck Depression Inventory (BDI), der Frenchay Activities Index (FAI), die Stroke Impact Scale (SIS) und die Stroke Specific Quality of Life Scale (SSQOL) empfohlen werden. Bei den Instrumenten zur Schweregraddifferenzierung sowie Outcomeevaluierung bei Schädel Hirn Traumata zeigt sich, dass diagnosespezifische Messinstrumente nicht notwendigerweise die bessere Testgüte aufweisen. Hinsichtlich der Testgüte sind die Disability Rating Scale (DRS) und der Community Integration Questionnaire (CIQ) zu empfehlen.
Schlussfolgerung: Die Entscheidung für ein Messinstrument ist jedoch nicht alleine von deren Testgüte (und der Machbarkeit und Akzeptanz der Messinstrumente) abhängig, sondern vom Zweck, den Messungen in Mess-Systemen dienen sollen. Ein generisches Kerninstrument könnte diagnoseübergreifend zur Anwendung kommen, während andere Parameter zusätzlich diagnosespezifisch erfasst werden müssen (modulare Zusammensetzung von generischen und diagnosespezifischen Instrumenten).
Zur Auswahl von Messsystemen zur Unterstützung der neurologischen Rehabilitation in Österreich, müssen daher zunächst die Zielsetzungen der Messungen klar definiert werden und festgelegt werden, ob und in welcher Form Messungen zur Qualitätssicherung und Ergebnismessung eingesetzt werden sollen. Weiters sollte überlegt werden, ob und in welcher Form Messungen mit der Refundierung und den entsprechenden ökonomischen Anreizsystemen kombiniert werden sollen.
Teil 2:
Hintergrund: Die neurologische und traumatologische Rehabilitation zeichnen sich durch eine besonders hohe Komplexität aus. Die Evaluation von Qualität und Performance ist eine wichtige Maßnahme, um den Bedürfnissen von PatientInnen, Leistungserbringern und Leistungsfinanzierern gerecht zu werden. Über ergebnisorientierte Vergütungsmodelle kann mehr Effizienz bei den Leistungserbringern erzielt werden. Eine Schweregraddifferenzierung mit generischen (diagnoseübergreifenden) Assessment-Instrumenten könnte sowohl in der Qualitätsmessung eingesetzt, als auch an Vergütungssysteme geknüpft werden.
Methode: Der Frage, ob und welche generischen Assessment-Instrumente in der neurologischen und traumatologischen Rehabilitation zur Qualitäts-, Performancemessung oder zur Vergütung eingesetzt werden und insbesondere welche internationalen Erfahrungen dazu bestehen, wird in diesem Bericht nachgegangen. Zur Beantwortung der Fragestellung wurden eine systematische Literatursuche und eine selektive Internetrecherche durchgeführt.
Ergebnisse: In Deutschland und der Schweiz gibt es erste Erprobungen mit generischen Instrumenten zur Qualitäts- und Performancemessungen. In Australien nimmt das AROC (Australasian Rehabilitation Outcome Centre) beinahe flächendeckend Qualitätsmessungen in der Rehabilitation vor und verwendet dazu den FIM (Functional Independence Measure). Der Einsatz von generischen Instrumenten in ergebnisorientierten Vergütungssystemen wurde in Deutschland mit dem FIM und dem SINGER (Selbstständigkeitsindex für die neurologische und die geriatrische Rehabilitation) erprobt. Das LTR (leistungsorientierte Tarifmodell Rehabilitation) aus der Schweiz wird derzeit getestet. In Großbritannien wurden die RCS (Rehabilitation Complexity Scale), die NPDS (Northwick Park nursing Dependency Scale) und das NPTDA (Northwick Park Therapy Dependency Assessment) entwickelt und nun in Pilotprojekten getestet. In Australien wurde die AN-SNAP-Klassifikation (Australian National Sub-acute and Non-acute Patient Classification System), die auf der Schweregraddifferenzierung nach dem FIM basiert, entwickelt. In den USA wird seit 2002 im PPS (Prospective Payment System) der FIM zur Schweregraddifferenzierung eingesetzt. Die untersuchten Studien zur Anwendung von generischen Instrumenten zur Vergütung stammen überwiegend aus den USA. Diese evaluieren größtenteils das PPS. Die tatsächlichen Kosten in der Neuro- und Trauma-Rehabilitation sind höher als die im PPS vorgesehene Vergütung. Seit der Einführung des PPS ist die Rehabilitationsdauer gesunken und die Anzahl an Entlassungen nach Hause gestiegen.
Schlussfolgerung: Generische Messinstrumente können für vielfältige Zwecke eingesetzt werden. Für eine Anwendung von generischen Instrumenten zur Qualitätsmessung und/oder zur Vergütung in Österreich werden Pilotprojekte, die sich an den bisherigen internationalen Erfahrungen und Projekten orientieren, empfohlen.
Teil 3:
Hintergrund: Basierend auf den vorangehenden beiden Projektteilen (Teil 1: Messinstrumente bei Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma . HTA-Projektbericht 023a; Teil 2: Internationale Erfahrungen zur Qualitäts-, Performancemessung und Vergütung . HTA-Projektbericht 023b) sollten im vorliegenden dritten Teil des Projektes zur Schweregraddifferenzierung in der Neuro- und Traumarehabilitation ein Status quo zur Verwendung von diagnoseübergreifenden und –spezifischen Messinstrumenten erhoben, und laufende bzw. abgeschlossene Pilotprojekte in österreichischen Rehabilitationseinrichtungen erfasst werden. Zusätzlich sollten Potentiale und Grenzen von diagnoseübergreifenden Messinstrumenten erfragt werden.
Methode: Erhebung mittels Fragebogen, in elektronischer Form per Email an 20 österreichische Rehabilitationseinrichtungen verschickt (Rücklauf 50%)
Ergebnisse: Einige Tests (z.B. die 10m-Gehzeit/10m-GZ, der Nine-hole-Peg-Test/NHPT, der Barthel Index/BI, die 2min-Gehstrecke/2min-GS, die Rankin Skala/RS, die Functional Ambulation Categories/FAC bzw. die Mini Mental State Examination/MMSE, die Expanded Disability Status Scale/EDSS) werden in den meisten Einrichtungen der verwendet. Die meisten Messinstrumente werden bei der Aufnahme und/oder Entlassung verwendet. Berufsgruppen, welche häufig Messinstrumente an PatientInnen einsetzen, sind MedizinerInnen, diplomierte KrankenpflegerInnen, Ergo- und PhysiotherapeutInnen, LogopädInnen und (Neuro-)PsychologInnen. Individuelle PatientInnenziele werden von allen befragten Einrichtungen vereinbart, aber nur von der Hälfte ausgewertet. Hauptziele von Datenerhebungen in den Einrichtungen sind die Dokumentation des Rehabilitationsverlaufs und Dokumentation für das interne Qualitätsmanagement. Durch die Erhebung wurden insgesamt sieben abgeschlossene und laufende Pilotprojekte, welche den Einsatz von Messinstrumenten erproben bzw. Qualitätssicherung betreiben, identifiziert.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die empfohlenen Messinstrumente nach den Richtlinien der ÖGNR zwar eine Vereinheitlichung in den verwendeten Messinstrumenten gebracht hat. Eine einheitliche Basisdokumentation existiert in Österreich jedoch nicht. Insgesamt ist nach wie vor eine Vielfalt an verwendeten Messinstrumenten feststellbar. Ein Interesse an Qualitätsmanagement und Institutionsvergleichen ist in Österreich anhand der existierenden Pilotprojekte erkennbar.