Versorgung onkologischer Patient*innen am Beispiel Brustkrebs: Patient*innenpfade, Versorgungsstrukturen und Leistungserbringung in ausgewählten Europäischen Ländern

Projektleitung: Nicole Grössmann-Waniek
Projektbearbeitung: Nicole Grössmann-Waniek, Christoph Strohmaier, Michaela Riegelnegg
Dauer: Mitte April bis Mitte November 2024
Sprache: Englisch (mit deutscher Zusammenfassung)
Publikation: HTA Projektbericht Nr. 162: https://eprints.aihta.at/1545/
Hintergrund:
In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Krebsfälle in Österreich sowohl in Bezug auf die Neuerkrankungen (Inzidenz) als auch auf die Gesamtzahl der Erkrankten (Prävalenz) gestiegen. Zu den häufigsten Krebserkrankungen in Österreich zählen Brust-, Darm-, Prostata- und Lungenkrebs. An erster Stelle der Krebsprävalenz in Österreich stehen mit 81.174 Fällen (2018) bösartige Neubildungen der Brust. Dies spiegelt sich auch in der Inzidenzrate wider, bei der Brustkrebs die häufigste Krebsart bei Frauen darstellt (28%, 2020) [1, 2]. Der Anstieg der Krebsinzidenz ist größtenteils auf die demografische Alterung zurückzuführen, jedoch spielen auch verbesserte Überlebensraten von Krebspatient*innen und die zunehmende Lebenserwartung eine Rolle. Gleichzeitig haben vermehrte Screening-Programme und verbesserte Diagnosemethoden dazu beigetragen, Krebserkrankungen früher zu erkennen, was wiederum zu einer Zunahme der registrierten Neuerkrankungen geführt hat [2, 3].
Eine Prognose des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) aus dem Jahr 2018 sagt eine weitere kontinuierliche Zunahme der Krebsprävalenz voraus. Bis zum Jahr 2030 wird erwartet, dass die Anzahl der Krebsfälle im Vergleich zu 2014 um 39% steigen wird. Dies würde im Jahr 2030 zu 457.700 Krebspatient*innen führen, was 4,9% der prognostizierten Bevölkerung entspricht [4]. Daher ist auch mit Kostensteigerungen in der Versorgung von Krebspatient*innen zu rechnen. Betrachtet man die derzeitigen Gesamtkosten für Krebs in Österreich pro Kopf, bereinigt um die Kaufkraftparität (KKP), liegen diese bereits deutlich über dem EU-Durchschnitt (AT: 440€ versus EU: 326€, Stand 2018) [2].
Angesichts der steigenden Krebsprävalenz ist auch mit einem erhöhten Versorgungsbedarf von Krebspatient*innen zu rechnen. Trotz eines rückläufigen Trends seit 2010 durch diverse Reforminitiativen investiert Österreich weiterhin einen größeren Anteil seiner Gesundheitsausgaben in die stationäre Versorgung im Vergleich zum EU-Durchschnitt. Im Jahr 2021 belief sich dieser Anteil in Österreich auf 30% des Gesamtbetrags, während der EU-Durchschnitt bei 28% lag [5]. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl von Krankenhausbetten wider. So war die Akutbettendichte pro Einwohner*innen in Österreich (2014) mit 5,84 Betten pro 1.000 Einwohner die dritthöchste in der EU, nach Deutschland und Bulgarien (EU-Durchschnitt: 3,94) [6, 7]. Trotz fortlaufender Reformbemühungen und einer schrittweisen Steigerung der Leistungserbringung im ambulanten Bereich ist das österreichische Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen Ländern weiterhin stark krankenhauszentriert. Ein Grund dafür ist, dass es ungenügende Anreize gibt, Patient*innen außerhalb von Krankenhäusern zu behandeln. Auch die starke Fragmentierung des ambulanten und stationären Bereichs erschwert die Verlagerung der Behandlung von Krebspatient*innen [6].
Projektziele:
Vor dem Hintergrund der spitalszentrierten Versorgung von Krebspatient*innen in Österreich zielt das Projekt darauf ab, Möglichkeiten zur Entlastung des stationären Sektors und Verlagerungspotentiale für Österreich zu identifizieren, basierend auf einer Untersuchung der onkologischen Versorgung in verschiedenen EU-Ländern (Deutschland, ausgewählte skandinavische Länder, Belgien & Niederlande). Insbesondere sollen die Versorgungsstrukturen für Krebspatientinnen anhand des Beispiels Brustkrebs in verschiedenen Gesundheitssystemen betrachtet werden, einschließlich der Analyse der Leistungserbringung und der Identifizierung der beteiligten Berufsgruppen und ihrer Rollen. In weiterer Folge sollen durch die Identifikation von "Good Practice"-Beispielen zur sektorenübergreifenden Versorgung von (Brust-) Krebspatient*innen ausgewählter EU-Länder Verlagerungspotenziale für das österreichische Gesundheitssystem abgeleitet werden, um eine Entlastung des stationären Sektors zu ermöglichen. Folgende Forschungsfragen (FF) sollen im Zuge des Projektes beantwortet werden:
FF1: Welche Brustkrebsversorgungsstrukturen stehen in ausgewählten EU-Ländern (Deutschland, skandinavischen Ländern, den Niederlanden und Belgien) zur Verfügung? Welche Professionen sind in den jeweiligen Versorgungsstrukturen involviert, und welche Leitungserbringung findet statt?
FF2: Welche spezifischen Versorgungsstrukturen stehen für die Behandlung von Brustkrebspatient*innen in Österreich zur Verfügung, und welche Professionen sind in diese Strukturen involviert? Welche medizinischen Leistungen werden zur Versorgung von Brustkrebspatientinnen in Österreich im stationären, ambulanten oder niedergelassenen Bereich erbracht?
FF3: Inwieweit unterscheidet sich die Versorgung von Brustkrebspatientinnen in Österreich im Vergleich zu Deutschland, ausgewählten skandinavischen Ländern und anderen Ländern mit Sozialversicherungssystemen hinsichtlich der verfügbaren Versorgungsstrukturen, der beteiligten Gesundheitsberufe und der zur Verfügung stehenden medizinischen Leistungen im stationären, ambulanten und niedergelassenen Bereich? Welche Möglichkeiten der Entlastung des stationären Sektors und Verlagerungspotentiale lassen sich aus den gewonnen Informationen für Österreich ableiten?
Es ist nicht Ziel des Projekts, ...
- Patientinnenpfade und die Leistungserbringung für spezifische Brustkrebsindikationen zu betrachten.
- eine systematische Bewertung der (relativen) Wirksamkeit von medizinischen Behandlungen in den jeweiligen Versorgungsstrukturen (extramural versus intramural) hinsichtlich klinischer Endpunkte oder der Versorgungseffektivität innerhalb des Gesundheitssystems durchzuführen.
- ein Konzept für einen Versorgungsplan von Brustkrebspatientinnen in Österreich zu erstellen.
Methoden:
FF1: Länderübersicht von Versorgungspfaden und Strukturen (Leistungserbringung und involvierte Professionen) von Brustkrebspatient*innen:
- Durchführung eines iterativen Suchprozesses und strukturierte Handsuche nach intra- und interinstitutionellen Versorgungspfaden in ausgewählten EU-Ländern.
- Entwicklung eines generischen Patientinnenpfades, der als Grundlage für die Informationssuche und Interviews dient.
- Identifizierung von Institutionen und Expert*innen, die über die Versorgungsstrukturen in ihrem jeweiligen Land Bescheid wissen, mittels Schneeballprinzip. Dieser Schritt beinhaltet Kontaktaufnahme, Interviews und die Auswertung von grauer Literatur. Bei Landessprachen wird eine Übersetzung durchgeführt.
- Screening von Dokumenten zu Versorgungspfaden und Leistungskatalogen.
- Erfassung der vorhandenen Versorgungsstrukturen, involvierten Professionen und der Leistungserbringung in tabellarischer Form.
FF2: Identifikation der bestehenden Brustkrebsversorgungsstrukturen, der involvierten Professionen und der dort erbrachten medizinischen Leistungen in Österreich:
- Durchführung eines iterativen Suchprozesses und strukturierte Handsuche nach intra- und interinstitutionellen Versorgungspfaden.
- Kontaktaufnahme mit Brustkrebszentren zur Beschreibung der Abläufe und Leistungserbringung.
- Erfassung der vorhandenen Versorgungsstrukturen, involvierten Professionen und der verfügbaren medizinischen Leistungen in tabellarischer Form.
FF3: Gegenüberstellung der erhobenen Patientinnenpfade und Ausarbeitung von Schlussfolgerungen aus den gewonnenen Informationen:
- Ländervergleich bezüglich der vorhandenen Versorgungsstrukturen, Professionen und der Leistungserbringung
- Narrative Synthese der Ergebnisse und Bewertung des Potenzials für eine Verlagerung vom stationären in den ambulanten und extramuralen Bereich
PICo-Analyse:
Problem |
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Interesse |
Versorgungsstrukturen, Leistungserbringung und involvierte Professionen zu beschreiben: FF1: Brustkrebsversorgung und Leistungserbringung in ausgewählten Ländern. FF2: Brustkrebsversorgung und Leistungserbringung in Österreich. FF3: Gegenüberstellung der Länder mit Österreich hinsichtlich der identifizierten Versorgungsstrukturen, Professionen und der dort erbrachten medizinischen Leistungen zu Identifikation von Verlagerungspotenzialen. Nicht-Interessen: Patient*innenpfade und die Leistungserbringung für spezifische Brustkrebsindikationen zu betrachten. Eine systematische Bewertung der (relativen) Wirksamkeit von medizinischen Behandlungen in den jeweiligen Versorgungsstrukturen (extramural versus intramural) hinsichtlich klinischer Endpunkte oder der Versorgungseffektivität innerhalb des Gesundheitssystems durchzuführen. Ein Konzept für einen Versorgungsplan von Brustkrebspatient*innen in Österreich zu erstellen. |
Kontext |
Ausgewählte EU-Länder & österreichischer Versorgungskontext |
Sprache |
Englisch/Deutsch |
Publikationsart |
jede Art von Publikation |
Alle Arbeitsschritte (Kontaktaufnahme, Interviews, Selektion der Materialien, Extraktion der Informationen und Kontrolle) werden von zwei Wissenschaftler*innen durchgeführt. Die Ergebnisse werden von einer AIHTA Reviewer*in (interner Review) und zumindest einem Peer-Reviewer (Expert*in/in im Fach) auf wissenschaftliche Qualität begutachtet.
Zeitplan und Meilensteine:
Zeitraum |
Aufgabe |
April 2024 |
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Mai 2024 |
Versorgungspfade (Ö, DE & skandinavische Länder)
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Juni-Juli 2024 |
Versorgungspfade (BE & NL)
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August – September 2024 |
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Oktober 2024 |
Interner und externer Review |
November 2024 |
Layout und Veröffentlichung |
Referenzen:
[1] Statistik Austria. Krebserkrankungen in Österreich. Wien: 2022. Available from: https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Krebserkrankungen_2022.pdf.
[2] OECD. Länderprofile Krebs: Österreich 2023. EU Country Cancer Profiles. Paris: 2023. Available from: https://www.oecd-ilibrary.org/content/publication/0f690cb3-de.
[3] Österreichische Krebshilfe und Österreichische Gesellschaft für Hämnatologie & medizinische Onkologie. Österreichischer Krebsreport. Wien: 2023 [cited 09.04.2024]. Available from: https://www.krebsreport.at/Krebsreport-2023.pdf.
[4] Czypionka T., Kraus M. and Röhrling G. Perspektiven der Leistungs- und Kostenentwicklung in der Onkologie. Health System Watch. 2023.
[5] OECD/European Observatory on Health Systems and Policies. Österreich: Länderprofil Gesundheit 2023, State of Health in the EU. Brussels: OECD Publishing, Paris/European Observatory on Health Systems and Policies, 2023.
[6] Bachner F, Bobek J, Habimana K, Ladurner J, Lepuschutz L, Ostermann H, et al. Das österreichische Gesundheitssystem – Akteure, Daten, Analysen. 2019;20(3):1-288.
[7] Czypionka T. and Kraus M. Verlagerungspotenziale im Gesundheitswesen. Wien: Institut für höhere Studien, 2020.