FALCO: Fighting Addictions, improving Lives: COmprehensive drug rehabilitation with music [Suchterkrankungen bekämpfen, Leben verbessern: Umfassende Rehabilitation durch Musik bei Personen mit Suchterkrankungen]

Projektleitung: Ingrid Zechmeister-Koss
Projektbearbeitung: Lucia Gassner
Autoren: Gassner L1, Bidzan-Bluma I2, Makurat D2, Karshikofffrom B3, Magel F4, Svensden TS5, Bieleninik L2, Erga AH3, Zechmeister-Koss I1
Zugehörigkeit: 1Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH, Österreich; 2University of Gdansk, Polen; 3University of Stavanger, Norwegen; 4Anton Proksch Institut, Österreich; 5Regional Center for Substance Use Research, Norwegen
Forschungsgebiet: Psychologische & Psychiatrische Interventionen
Projektleitung: Ingrid Zechmeister-Koss
Gesamtleitung: Catherine Lourdes Dy (NORCE Norwegian Research Centre AS)
Weitere Projektpartner: NORCE Norwegian Research Centre AS (NO, coordinator), Universitetet I Bergen (NO), Helse Stavanger HF (NO), Sykehuset Innlandet HF (NO), Universität Wien (AT), Stiftung Anton Proksch Institut Wien (AT), Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (AT), HAT Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH (AT), Herzog College (IL), Bar Ilan University (IL), Universita Degli Studi Di Pavia (IT), Uniwersytet Gdanski (PL), Fundacio Institut d’Investigacio Biomedica de Bellvitge (ES), Universitat de Girona (ES), Fundacio Institut d’Investigacio Biomedica de Girona Doctor Josep Trueta (ES), Fundació Sanitària d’Igualda (ES), Universität Zürich (CH)
Dieses AIHTA Drittmittelprojekt ist Teil eines Horizon-Europe Projektes (Fördernummer 101155881)
Laufzeit: Jänner 2025 bis Dezember 2029
Sprache: Englisch
1. Projektleistung:
Musiktherapie: Klinische und sozioökonomische Ergebnisparameter und Langzeitmessinstrumente bei Personen mit Suchterkrankungen. Eine systematische Übersichtsarbeit.
Hintergrund
Suchterkrankungen sind mit einer hohen globalen Krankheitslast verbunden: 1,3 % aller verlorenen gesunden Lebensjahre gehen durch illegale Drogen und 4,2 % durch Alkohol verloren [1]. In der Europäischen Union gibt es eine Million Opioid-Konsument*innen mit hohem Risiko [2]. Multimorbidität ist weit verbreitet und umfasst mehrfachen Substanzkonsum, parallel auftretende psychische Erkrankungen und verschiedene Folgeerkrankungen, die durch eine wirksamere Behandlung von Suchterkrankungen verhindert werden könnten, darunter Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten [1]. Suchterkrankungen stehen auch mit Kriminalität und Armut in Zusammenhang, was die gesellschaftliche Bedeutung einer verbesserten Rehabilitation erhöht [1]. Viele Patient*innen brechen die Behandlung ab oder profitieren nicht von den bestehenden nicht-pharmakologischen und pharmakologischen Interventionen [3].
Musik kann das Belohnungssystem des Gehirns ähnlich wie bei Suchtmitteln aktivieren [4-6]. Sie wird als eine der intrinsisch lohnendsten Aktivitäten eingestuft [7]. Daher kann Musik eine wirksame und kostengünstige Ergänzung zur Verbesserung von Suchterkrankungen darstellen [8]. Aufgrund der hohen Rückfallquote im ersten Jahr nach der Behandlung ist eine Bewertung der Muster des Substanzkonsums im zweiten Jahr nach der Behandlung erforderlich [8]. Eine längere Behandlungsdauer der Suchterkrankungen steht in Verbindung mit einem geringeren Substanzkonsums bei langfristigen Nachuntersuchungen und einer besseren Beteiligung an Nachsorgeprogrammen [9, 10]. Um das Konsumverhalten bei langfristigen Nachuntersuchungen zu beeinflussen, müssten die Musikinterventionen wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Effekte von Musiktherapie auf den Verbleib in einer Behandlung über längere Zeiträume zu untersuchen und die langfristigen Auswirkungen von Musiktherapie auf Menschen mit Suchterkrankungen zu bewerten [8]. Zu diesem Zweck wird eine systematische Übersichtsarbeit durchgeführt, um geeignete langfristige (>1 Jahr) Messinstrumente zu ermitteln. Um besser zu verstehen, welche Zielkriterien für die Patient*innen am relevantesten sind, werden Interviews mit Personen mit Suchterkrankungen durchgeführt. Dieses gemeinsame Verständnis soll dazu beitragen, patientenrelevante Messinstrumente zu entwickeln.
Ziele des Berichts
Der Bericht soll einen Überblick über klinische (z. B. Schweregrad der Abhängigkeit, Genesung, Substanzkonsum, Craving) und sozioökonomische (d. h. für die Kostenträger relevante Kriterien wie Integration in das Arbeitsleben, Arbeitslosentage, Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten, Verbleib in der Behandlung) Ergebnisparameter und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen geben, die in der vorhandenen Evidenz (zu Musiktherapie) bei Menschen mit Suchterkrankungen identifiziert wurden (FF1). Weiters wird untersucht, wie diese Ergebnisse gemessen werden und welche Merkmale diese Instrumente aufweisen (FF2).
Da es an Forschung zu langfristigen Ergebnissen einer (langfristigen) Musiktherapie-Behandlung mangelt, werden – neben unseren Ergebnissen der systematischen Übersichtsarbeit (d.h. FF1+2) – Faktenblätter einen Überblick darüber geben, welche Messinstrumente geeignet, durchführbar und patientenrelevant sind, insbesondere für langfristige Maßnahmen (FF3). Zusätzliche Interviews mit Personen mit Suchterkrankungen in zwei Partnerländern, Norwegen und Polen, werden Einblicke in die Perspektiven dieser Personen geben. Die Hauptfrage der Interviews ist, ob diese Erfahrungen der Personen mit Suchterkrankungen den Ergebnissen bzw. Messinstrumenten aus den vorherigen Forschungsfragen der systematischen Übersichtsarbeit entsprechen. In Österreich wollen wir die Perspektiven von drei Personen mit Suchterkrankungen einholen. Diese Erfahrungsberichte werden uns helfen, patientenrelevante Messinstrumente für weitere Arbeitspakete des FALCO-Projekts zu verstehen.
Forschungsfragen (FF)
FF1: Welche klinischen und sozioökonomischen Ergebnisparameter und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen können in der vorhandenen Evidenz (zu Musiktherapie) bei Personen mit Suchterkrankungen identifiziert werden? (à Übersicht über relevante klinische und sozioökonomische Outcome-Parameter und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen)
FF2: Wie werden diese klinischen und sozioökonomischen Outcome-Parameter und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen gemessen, und was sind die Merkmale dieser Instrumente? (à Übersicht über die Messinstrumente und ihre Merkmale)
FF3: Welche Messinstrumente sind geeignet, durchführbar und patientenrelevant, insbesondere für Langzeitmessungen bei Personen mit Suchterkrankungen? (à Faktenblätter zu Langzeitmessinstrumenten)
Methoden FF1 & FF2
- Systematische Literatursuche nach klinischen Musiktherapiestudien (nur Reviews)
- Datenbanken: The Cochrane Library, Datenbank des Centre for Reviews and Dissemination (CRD), Embase, MEDLINE, PsycINFO, Web of Science
- Manuelle Suche und kurze Umfrage in ausgewählten Ländern (AUT, NOR, POL) nach zusätzlichen Instrumenten zur Messung sozioökonomischer Kriterien; mögliche Quellen: Websites von Suchterkrankungsrehabilitationszentren, Institutionen, die Suchterkrankungsrehabilitationszentren evaluieren, Kostenträger im Gesundheitswesen (Versicherungen), allgemeine Suche in Google und Google Scholar (z. B. Evaluierungsberichte, Projektberichte, Validierungsberichte)
- Falls zutreffend: manuelle Suche in Bereichen abseits von Musiktherapie (Personen mit Suchterkrankungen) à Welche zusätzlichen sozioökonomischen Messinstrumente können gefunden werden?
- Erstellung einer Tabelle mit relevanten klinischen und sozioökonomischen Ergebnisparametern und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen
- Erstellung einer Tabelle der Messinstrumente und ihrer Merkmale (Projektleistung 1)
- Keine Bewertung des Verzerrungsrisikos (z.B. AMSTAR - Assessing the Methodological Quality of Systematic Reviews), da der Fokus auf den Ergebnisparametern und Messinstrumenten liegt und nicht auf der Effektivität/Wirksamkeit der Musiktherapie
PICO für FF1 & FF2 |
|
Patient*innen |
Einschlusskriterien:
Ausschlusskriterien:
|
Intervention |
Aktive Musikgruppen und Musikhörgruppen |
Control (Kontrollintervention) |
- |
Outcomes (Zielkriterien) |
FF1: Klinische und sozioökonomische Ergebnisparameter und Arten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen (z. B. Rückfälle, die einen Krankenhausaufenthalt erfordern, Selbstmord(versuche)) FF2: Messinstrumente und ihre Merkmale Allgemeine Merkmale:
Merkmale der Anwendung:
|
Studiendesign |
Übersichtsarbeiten |
Publikationsperiode |
Von Beginn bis 2024 |
Datenbanken |
The Cochrane Library, Datenbank des Centre for Reviews and Dissemination (CRD), Embase, MEDLINE, PsycINFO, Web of Science |
Sprachen |
Alle |
Methode FF3
- Präsentation einer Lang- und Kurzliste von Messinstrumenten (aus FF1 & FF2) an die FALCO-Partner
- Priorisierung einer Kurzliste von Messinstrumenten unter den FALCO-Partnern à Sind die ausgewählten Instrumente für Langzeitmessungen (>1 Jahr) geeignet?
- Manuelle Suche nach spezifischen Messinstrumenten aus der Kurzliste: Eignung für Langzeitmessungen, Sprachen, Validierung (Literatur zu Validität/Genauigkeit/Verlässlichkeit), minimaler klinisch wichtiger Unterschied (MCID, minimal clinically important difference), Vor- und Nachteile usw.
- Falls zutreffend: Suche nach Messinstrumenten in Bereichen abseits von Suchterkrankungen à Übertragbarkeit auf Personen mit Suchterkrankungen?
- Erstellung von Faktenblättern zu den geeignetsten, durchführbarsten und patientenrelevantesten Langzeitmessinstrumenten
Einbeziehung von Patient*innen
Im Rahmen der systematischen Übersichtsarbeit sind in drei Ländern (Österreich, Norwegen, Polen) Interviews mit Personen mit Suchterkrankungen, sprich Dienstleistungsnutzer*innen, geplant. Professionelles Wissen kann die gelebten Erfahrungen von Personen mit Suchterkrankungen nicht ersetzen, da sie die Hauptakteure sind, die zu dem Projekt beitragen. In diesem Bericht soll die Einbeziehung von Personen mit Suchterkrankungen zu Erkenntnissen führen, die andernfalls nicht zustande kämen, und dazu beitragen, z. B. Einschränkungen oder Leiden aufgrund der Suchterkrankungen oder Aspekte, die durch Musiktherapie verbessert werden sollten, aufzudecken. Ziel ist es, durch Personen mit Suchterkrankungen ein Verständnis von patientenrelevanten Zielkriterien und damit patientenrelevanten Messinstrumenten zu erforschen.
Die Interviewpartner*innen können zusätzliche physische und psychische Einschränkungen oder Erkrankungen haben und sind eine besonders gefährdete Gruppe. Daher finden die Interviews im Anton Proksch Institut statt, wo Psychotherapeuten, klinische Psychologen, Gesundheitspsychologen oder Sozialarbeiter die Patient*innen schützen und informieren können.
Methoden
- Erstellung eines halbstrukturierten Interviewleitfadens für die Einbeziehung der Patient*innen unter Mitwirkung der FALCO-Partner
- Erstellung eines Informationsblatts für die Patient*innen und einer Einverständniserklärung
- Ethische Genehmigung
- Akquisition von Patient*innen in Österreich, Norwegen und Polen
- Die Interviews werden in einem klinischen Umfeld durchgeführt (Ambulanz, Tagesstätte oder andere Krankenhaussettings)
- Die Befragten sollten sich in Therapie, jedoch nicht in Musiktherapie, befinden und seit mindestens einem Jahr abstinent sein
- Rekrutierung in Österreich in der Ambulanz durch die behandelnden Ärzte/Ärztinnen, Psychotherapeut*innen, klinischen Psycholog*innen und Gesundheitspsycholog*innen und Sozialarbeiter*innen des Anton Proksch Instituts, Wien
- Durchführung von face-to-face Interviews mit drei Patient*innen an jedem Standort, die mit einem Smartphone-Sprachaufzeichnungsgerät aufgezeichnet wurden
- Transkription mit z.B. Good Tape, Trint oder Word 365 und Übersetzung der Interviews
- Analyse und Interpretation der Interviews mit der qualitativen Inhaltsanalyse, z. B. mit MAXQDA
- Zusammenfassung der neun Patient*inneninterviews
Interviewleitfaden
Zeit vor Beginn einer Therapie
a) familiäre Beziehungen, b) soziale Stigmatisierung, c) berufliche Situation, d) finanzielle Belastung und e) andere sozioökonomische Aspekte?
Während der Therapie
Langfristige Aspekte
Sonstiges
|
- Entsprechen diese Patient*innenerfahrungen den Ergebnissen/Instrumenten aus der FF1 und FF2? (patientenrelevante Instrumente)
Die Arbeitsabläufe sind nach dem Vier-Augen-Prinzip organisiert; die Ergebnisse werden von internen und externen Gutachter*innen kontrolliert.
Literatur:
[1] GBD Alcohol and Drug Use Collaborators. The global burden of disease attributable to alcohol and drug use in 195 countries and territories, 1990-2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. Lancet Psychiatry. 2018;5(12):987-1012. Epub 20181101. DOI: 10.1016/S2215-0366(18)30337-7.
[2] European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. European Drug Report 2022: Trends and Developments. Luxemburg: Publications Office of the European Union, 2022.
[3] Svendsen T., Veseth M., McKay J., Bjornestad J., Erga A., Moltu C., et al. Securing Participant Engagement in Longitudinal Substance Use Disorder Recovery Research: A Qualitative Exploration of Key Retention Factors. J Psychosoc Rehabil Ment Health. 2021;8:247–259.
[4] Ferreri L., Mas-Herrero E., Cardona G., Zatorre R. J., Antonijoan R. M., Valle M., et al. Dopamine modulations of reward-driven music memory consolidation. Ann N Y Acad Sci. 2021;1502(1):85-98. Epub 20210711. DOI: 10.1111/nyas.14656.
[5] Mas-Herrero E., Marco-Pallares J., Lorenzo-Seva U., Zatorre R. and Rodriguez-Fornells A. Individual Differences in Music Reward Experiences. Music Perception. 2013;31:118–138.
[6] Koelsch S. A coordinate-based meta-analysis of music-evoked emotions. Neuroimage. 2020;223:117350. Epub 20200906. DOI: 10.1016/j.neuroimage.2020.117350.
[7] Dube L. and Le Bel J. The content and structure of laypeople's concept of pleasure. Cogn Emot. 2003;17(2):263-295. DOI: 10.1080/02699930302295.
[8] Ghetti C., Chen X. J., Brenner A. K., Hakvoort L. G., Lien L., Fachner J., et al. Music therapy for people with substance use disorders. Cochrane Database Syst Rev. 2022;5(5):CD012576. Epub 20220509. DOI: 10.1002/14651858.CD012576.pub3.
[9] Arbour S., Hambley J. and Ho V. Predictors and outcome of aftercare participation of alcohol and drug users completing residential treatment. Subst Use Misuse. 2011;46(10):1275-1287. Epub 20110526. DOI: 10.3109/10826084.2011.572941.
[10] Moos R. H. and Moos B. S. Treated and untreated alcohol-use disorders: course and predictors of remission and relapse. Eval Rev. 2007;31(6):564-584. DOI: 10.1177/0193841X07306749.