POCT/ Point of Care Tests: D-Dimer und Troponin
Projektleitung: Gregor Goetz, Louise Schmidt
Projektbearbeitung: Gregor Goetz, Judit Erdös, Louise Schmidt
Laufzeit: April 2019 – Oktober 2019
Vorgeschlagen von: Bundesländern
Sprache: Englisch, EUnetHTA REA
Publikation: LBI-HTA Projektbericht Nr. 124: https://eprints.aihta.at/1224/
Hintergrund:
Point-of-Care-Tests (POCTs) sind diagnostische Tests, die in der Nähe von PatientInnen – und damit nicht in Labors – durchgeführt werden. POCTs liefern schnelle Rückmeldung der Testergebnisse und somit die Möglichkeit, rascher zum Patientenmanagement zu entscheiden. Sowohl Probenahme als auch Datenanalyse wird bei POCT am gleichen Ort durchgeführt, wodurch Transport- und Verarbeitungsverzögerungen reduziert werden können [1, 2]. In den letzten Jahrzenten war eine stetige Zunahme sowohl der Verfügbarkeit als auch des Einsatzes von POCTs zu verzeichnen. Der Trend war sowohl mit Hoffnungen (über Vorteile im Vergleich zu Laboruntersuchungen) als auch mit Bedenken (zu Gesamtnutzen, Überdiagnostik und Zuverlässigkeit) solcher Tests verbunden [1, 3].
In jüngsten Jahren kommen u.a. zwei Biomarker als POC-Diagnostika zum Einsatz: Die Bestimmung der D-Dimere wird bei Verdacht auf einen Gefäßverschluss bei PatientInnen mit Symptomen der tiefen Venenthrombose (TVT) oder pulmonären Embolie (PE) zum Einsatz kommen [4]. Der Troponin-POCT (Tn-POCT) kann bei PatientInnen mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung oder Herzinfarkt zum Einsatz kommen [5].
POCTs wären nur dann unter Umständen sinnvoll, wenn sie eine positive Veränderung im Patientenmanagement hervorrufen; es wäre u.a. aus Kosteneffektivitätsgründen nicht sinnvoll, sie lediglich als „add-on“ zu verwenden, ohne dass sie zu einer Veränderung im diagnostischen oder therapeutischen Pfad führen. Überdies ist es notwendig, den diagnostischen Kontext für akutes koronares Syndrom sowie TVT/PE – und somit das zu realisierende Potenzial etwaiger Vorteile bei der Verwendung von POCT – zu skizzieren. Der Kontext wird von diversen Faktoren wie Überweisungsverhalten, Kostenrückerstattungsaspekte, organisatorische Aspekte usw. beeinflusst.
Projektziele:
Die gesundheitspolitische Frage ist, ob durch den Einsatz der beiden POC-Diagnostika D-Dimer und Troponin Krankenhaus-Aufenthalte / Einweisungen / weitere Tests vermieden werden können. Während die meisten Studien zu POCTs sich mit der analytischen Performanz (diagnostische Genauigkeit) der Tests befassen, sind Studien zum Impakt auf klinische (Triage-) Entscheidungen und zu patientenrelevanten Endpunkten deutlich seltener [6, 7]. Das Projekt verfolgt folgende Ziele:
- Zum einen soll Wissen aus evidenzbasierten (S3) Leitlinien erhoben werden, wie die beiden POC-Diagnostika (D-Dimer und Troponin) in der klinischen Praxis eingesetzt werden sollen. Um Kontextfaktoren identifizieren zu können, werden auch länderspezifische Empfehlungen (S1 und S2-Niveau) zu allgemeiner Diagnostik von TVT/PE sowie akut koronaren Syndromen erhoben.
- Zum anderen soll die Evidenz aus systematischen Reviews bzw. klinischen Studien ausgewertet werden, inwiefern die beiden POC-Diagnostika (D-Dimer und Troponin) ausreichend diagnostische Genauigkeit besitzen sowie Patientenmanagement beeinflussen.
- Weiters soll der Frage nachgegangen werden, wie D-Dimer und Tn-POCT im österreichischen Gesundheitssystem zum Einsatz kommen, um einen etwaigen klinischen Nutzen abzuschätzen. Dabei werden unterschiedliche Settings betrachtet: Notfallmedizin; Fachmedizin (Kardiologie,..) und Allgemeinmedizin im niedergelassenen Bereich.
Dementsprechend sind die Forschungsfragen:
- Was empfehlen evidenzbasierte Leitlinien, wie D-Dimer-POCT und Tn-POCT eingesetzt werden sollen (Stellenwert in diagnostischem Pfad, Schwellenwerte in unterschiedlichen Patientenpopulationen: Notfallmedizin, niedergelassener Bereich)?
- Welchen klinischen Nutzen im Management von symptomatischen PatientInnen (Erwachsene) hat der D-Dimer-POCT?
- Welchen klinischen Nutzen im Management von symptomatischen PatientInnen (Erwachsene) hat der Tn-POCT?
- Kann ein etwaiger theoretischer Nutzen von POCT (D-Dimer und Tn) im österreichischen Kontext realisiert werden?
Methoden:
Zur Beantwortung der FF 1 wird eine Leitliniensynopse (Teil I) erstellt:
- Systematische Suche nach relevanten evidenzbasierten Leitlinien in Leitliniendatenbanken („Guideline International Network (GIN), Trip Database) sowie Handsuche auf ausgewählten Websites internationaler Institutionen, die Leitlinien erstellen (z.B. National Institute for Health and Care Excellence)
- Leitlinienauswahl durch 2 WissenschafterInnen
- Qualitätsbewertung mittels AGREE (Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation) durch eine Person, Kontrolle durch zweite Person
- Extraktion der Empfehlungen zur Anwendung der POCTs nach Stellenwert in diagnostischem Pfad, Schwellenwerte und Aussagekraft der Testergebnisse in unterschiedlichen Patientenpopulationen (Notfall, Allgemeinmedizin)
Zur Beantwortung der FF 2+3 werden zwei systematische Übersichtsarbeiten (Teil II) zum patientenrelevanten Nutzen von POC-Diagnostika D-Dimer und Tn-Troponin erstellt:
-
Zwei systematische Literatursuchen in folgenden Datenbanken werden durchgeführt, um bestehende systematische Übersichtsarbeiten, Studien zur diagnostischen Testgenauigkeit sowie zu den Auswirkungen solcher POCTs auf das Patientenmanagements (z.B. Triage-Funktion) zu identifizieren:
- Cochrane (CENTRAL)
- Centre for Research and Dissemination (CRD)
- Embase
- Ovid MEDLINE
- Falls keine rezenten systematischen Übersichtsarbeiten identifiziert werden können, werden nach Primärstudien in den obigen Datenbanken gesucht.
-
Studienselektion, Datenextraktion, Bewertung des Risk of Bias (QUADAS-2 sowie AMSTAR) und der methodologischen Qualität der Studien, Evidenzsynthese durch zwei – voneinander unabhängige – WissenschafterInnen:
- Screening und Auswahl der Literatur in EndNote
- Beurteilung des Bias-Risikos
- Datenextraktion durch eine Person, Kontrolle durch eine weitere
- Bewertung der Stärke der Evidenz mit der Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation (GRADE)-Methode
- Qualitative Evidenzsynthese
Zur Beantwortung der FF4 hinsichtlich des österreichischen Kontexts wird jeweils ein Interview mit VetreterInnen der Notfallmedizin, der Allgemeinmedizin und der Fachmedizin (Kardiologie, etc.) durchgeführt. Abrechnungsdaten zum Einsatz der Tests im niedergelassenen Bereich werden vom HVB zur Verfügung gestellt.
Einschlusskriterien (PICO) für Tn-POCT
Population |
PatientInnen, die Symptome einer koronaren Herzkrankheit oder eines Myokardinfarkts aufweisen Setting: Notfallmedizin, niedergelassener Bereich |
Index Test, Intervention |
Tn-POCT (quantitativ, semi-quantitativ oder qualitativ) Stratus CS cTnI (Siemens), cTnI (Abbott), Elecsys cTnT (Roche) etc. [8] |
Referenzstandard, Kontrolle |
Standardversorgung |
Ergebnisparameter |
Wirksamkeit:
Sicherheit:
|
Studientypen |
Teil I (Leitliniensynopse): evidenzbasierte Leitlinien Teil II (klinischer Nutzen): HTAs/ systematische Reviews, Metaanalysen, Falls keine relevanten Übersichtsarbeiten vorhanden: Randomisierte kontrollierte Studien, nicht randomisierte kontrollierte Studien |
Sonstige Erhebungsmethoden |
Interviews mit Stakeholders (Setting-spezifisch) |
Publikationszeitraum |
Letzte 10 Jahre |
Sprachen |
Deutsch/Englisch |
Einschlusskriterien (PICO) für D-Dimer-POCT
Population |
PatientInnen mit Symptomen der Lungenembolie, des Schlaganfalls oder der tiefen Venenthrombose (TVT) Setting: Notfallmedizin, niedergelassener Bereich |
Index Test, Intervention |
D-Dimer-POCT (quantitativ, semi-quantitativ oder qualitativ) Clearview (Sekisui), Cardiac D-Dimer (Roche), Triage D-Dimer (Alere), etc. [9] |
Referenzstandard, Kontrolle |
Standardversorgung |
Ergebnisparameter |
Wirksamkeit:
Sicherheit: unerwünschte Nebenwirkungen/Schäden |
Studientypen |
Teil I (Leitliniensynopse): evidenzbasierte Leitlinien Teil II (klinischer Nutzen): HTAs/ systematische Reviews [10], Metaanalysen, Falls keine relevanten Übersichtsarbeiten vorhanden: Randomisierte kontrollierte Studien, nicht randomisierte kontrollierte Studien |
Sonstige Erhebungsmethoden |
Interviews mit Stakeholders (Setting-spezifisch) |
Publikationszeitraum |
Letzte 10 Jahre |
Sprachen |
Deutsch/Englisch |
Zeitplan/ Meilensteine:
Periode |
Leistungen |
April/Mai 2019 |
Scoping, systematische Literatursuche (Teil I und Teil II), zusätzliche Handsuche nach Leitlinien Identifikation von zugelassenen D-Dimer, Tn-POCT |
Juni-Juli 2019
|
Teil I: Durchführung der Leitliniensynopse. Auswahl und Beschaffung der Leitlinien, Beurteilung mit AGREE Verschriftlichung |
Juni-August 2019 |
Teil IIa: Systematische Übersichtsarbeit zu Tn-POCT: Auswahl und Beschaffung der Literatur, Beurteilung des Bias-Risikos mit QUADAS-2 bzw. AMSTAR, Datenextraktion, GRADE-Assessment, Evidenzsynthese. Verschriftlichung |
Juni-August 2019 |
Teil IIb: Systematische Übersichtsarbeit zu D-Dimer-POCT: Auswahl und Beschaffung der Literatur, Beurteilung des Bias-Risikos mit QUADAS-2 bzw. AMSTAR, Datenextraktion, GRADE-Assessment, Evidenzsynthese. Verschriftlichung |
September-Oktober 2019 |
Interner und externer Review, Publikation |
Referenzen:
1. Larsson, A., R. Greig-Pylypczuk, and A. Huisman, The state of point-of-care testing: a European perspective. Ups J Med Sci, 2015. 120(1): p. 1-10.
2. Zehnder, J. Clinical use of coagulation tests. 2019 20.04.2019]; Available from: https://www.uptodate.com/contents/clinical-use-of-coagulation-tests?source=history_widget.
3. St John, A. and C.P. Price, Existing and Emerging Technologies for Point-of-Care Testing. The Clinical biochemist. Reviews, 2014. 35(3): p. 155-167.
4. Lee-Lewandrowski, E. and K. Lewandrowski, Perspectives on cost and outcomes for point-of-care testing. Clin Lab Med, 2009. 29(3): p. 479-89.
5. Tomonaga, Y., et al., Diagnostic accuracy of point-of-care testing for acute coronary syndromes, heart failure and thromboembolic events in primary care: a cluster-randomised controlled trial. BMC family practice, 2011. 12: p. 12-12.
6. Pecoraro, V., L. Germagnoli, and G. Banfi, Point-of-care testing: where is the evidence? A systematic survey. Clin Chem Lab Med, 2014. Mar;52(3): p. 313-24.
7. Pecoraro, V., et al., A systematic evaluation of immunoassay point-of-care testing to define impact on patients' outcomes. Ann Clin Biochem, 2017 Jul;5(4): p. 420-431.
8. Collinson, P., et al., Randomised Assessment of Treatment using Panel Assay of Cardiac markers--Contemporary Biomarker Evaluation (RATPAC CBE). Health Technol Assess, 2013. 17(15): p. 1-122.
9. Geersing, G., et al., Excluding venous thromboembolism using point of care D-dimer tests in outpatients: a diagnostic meta-analysis. BMJ, 2009 Aug 14(339): p. b2990.
10. Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health (CADTH), Point-Of-Care D-Dimer Testing: A Review of Diagnostic Accuracy, Clinical Utility, and Safety, in Rapid Response: Summary with Critical Appraisal, CADTH, Editor 2017.