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- Newsletter Juni 2021| Nr. 198
- Aducanumab zur Therapie von Alzheimer-Demenz: Wirksamkeit und Nutzen
Aducanumab zur Therapie von Alzheimer-Demenz: Wirksamkeit und Nutzen
Aducanumab wurde in zwei identischen, größtenteils zeitgleich durchgeführten, randomisierten klinischen Phase-III-Studien, ENGAGE und EMERGE, untersucht. In den Studien erhielten Patient*innen mit früher Alzheimer-Erkrankung (d. h. mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz aufgrund von Alzheimer) nach dem Zufallsprinzip entweder niedrig oder hoch dosiertes Aducanumab oder Placebo. Die genaue Dosierung hing vom Vorhandensein oder Fehlen eines genetischen Markers für das Alzheimer-Demenz Risiko, Apolipoprotein E4 (APOE E4), ab. Aducanumab konnte in beiden Studien (und allen Dosierungen) effektiv Beta-Amyloid-Protein-Plaques beseitigen. Als primärer, klinischer Endpunkt wurde eine Veränderung des Mittelwerts der „Clinical Dementia Rating Scale - Sum of Boxes (CDR-SB)“ festgelegt. Der kleinste (für Patient*innen klinisch relevante) Unterschied (minimal important difference) im Behandlungsergebnis wurde aber nicht eindeutig definiert. Nach der Hälfte der Studienlaufzeit wurde das Studienprotokoll dahingehend geändert, dass die hochdosierte Gruppe unabhängig vom APOE ????4 Status 10 mg/kg Aducanumab verabreicht bekam. Im März 2019 wurden ENGAGE und EMERGE nach einer vordefinierten Zwischenanalyse gestoppt.
Nachfolgende Analysen zeigten einen möglichen positiven Behandlungseffekt von EMERGE. Die Ergebnisse von ENGAGE konnten jedoch keine Verbesserung der CDR-SB in der hochdosierten Gruppe im Vergleich zu Placebo nachweisen. Die Analysen der sekundären Endpunkte stimmten in beiden Studien mit dem Ergebnis des primären Endpunkts überein (positiv in EMERGE, negativ in ENGAGE). Zusammengeführte Sicherheitsdaten aus beiden Studien zeigten, dass bei etwa 35 % der Patient*innen, die Aducanumab erhielten, amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (ARIA) auftraten. Deren klinischen Auswirkungen reichten von asymptomatisch bis schwerwiegend. Die Mehrheit der Patient*innen war asymptomatisch oder hatte Symptome wie Kopfschmerzen, Verwirrtheit oder Schwindel, die mit dem vorübergehenden Absetzen des Medikaments verschwanden. 6,2 % der Patient*innen, die eine hohe Dosis von Aducanumab erhielten, brachen die Therapie aufgrund von ARIA ab. Außerdem kam es bei einigen Patient*innen zu Blutungen im Hirngewebe; ein Todesfall in der Phase-Ib-Studie konnte darauf zurückgeführt werden.
Uneinig ist man sich, ob der in EMERGE beobachtete Grad der Verbesserung klinisch relevant ist. Darüber hinaus muss ein Zusammenhang zwischen der Beseitigung von Beta-Amyloid-Protein-Plaque im Gehirn und der klinischen Verbesserung noch eindeutig nachgewiesen werden. Laut ICER ist die vorliegende Evidenz unzureichend. Es konnte nicht bestimmt werden, ob der klinische Nutzen von Aducanumab größer ist als der Schaden oder ob der Wirkstoff tatsächlich das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz verringert. SE
Institute for Clinical and Economic Review (ICER)/USA 2021: Aducanumab for Alzheimer’s Disease: Effectiveness and Value. https://icer.org/wp-content/uploads/2020/10/ICER_ALZ_Draft_Evidence_Report_050521.pdf