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- Newsletter Dezember/Jänner 2021/2022 | Nr. 203
- Die ökonomische und gesellschaftliche Dimension elterlicher psychischer Erkrankungen
Die ökonomische und gesellschaftliche Dimension elterlicher psychischer Erkrankungen
Kinder und Jugendliche aus sogenannten „psychisch belasteten Familien" haben ein potenziell erhöhtes Risiko, gesundheitliche Probleme zu entwickeln und weitere negative Folgen auf dem Weg ins Erwachsenenalter zu erfahren. Eine Möglichkeit, negative Folgen abzumildern oder gar zu verhindern, sind familienorientierte Interventionsprogramme mit sozialen Unterstützungssystemen. Allerdings gestaltet es sich für die gegenwärtige Gesundheitsökonomie schwierig den Gesamtnutzen familienorientierter Programme sowie potentielle negative gesundheitsökonomische Folgen der zugrundeliegenden elterlichen Erkrankung für KiJu zu erfassen.
Im Zuge der systematischen Suche im ersten Berichtsteil konnte das AIHTA drei gesundheitsökonomische Studien identifizieren. Zwei Programme wiesen je nach Berechnungsperspektive, betrachteter Untergruppe oder entscheidungsrelevantem Schwellenwert gemischte Ergebnisse in Bezug auf die Kosteneffektivität auf, wobei die Kosteneffektivität (Effizienz) tendenziell gegeben war. Im Gegensatz dazu zeigte sich ein Programm aus allen Perspektiven kosteneffektiv. Alle drei Studien folgten Standardmethoden gesundheitsökonomischer Evaluationen und wiesen nur ein geringes bis mäßiges Verzerrungsrisiko auf. Im zweiten Berichtsteil wurden 39 Studien identifiziert, die ein breites Spektrum möglicher (gesundheitlicher) Folgen für KiJu elterlicher psychischer Probleme aufzeigen. Neben den individuellen Folgen haben psychische Erkrankungen der Eltern auch gesellschaftliche Auswirkungen. Die daraus resultierenden Kosten entstehen nicht nur im Gesundheitsbereich: Neben den privaten Kosten können auch in anderen öffentlichen Sektoren Kosten anfallen, potenziell auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. Dieses Spektrum an Kosten und inwieweit sie durch die Präventionsprogramme verhindert werden, wurde in den Studien bisher nicht vollständig adressiert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Standardmethoden der gesundheitsökonomischen Bewertung bei der Bewertung komplexer Interventionsprogramme an ihre Grenzen stoßen. Der vorliegende AIHTA-Bericht weist auf diese Limitationen hin und schlägt Lösungsansätze vor - wie etwa die Berücksichtigung von Kostenfaktoren, die über den Gesundheitssektor hinausgehen oder sorgfältige Wahl von Ergebnisparametern. Denn: Die Anwendung der Methoden in der derzeitigen Form könnte zu einer Fehleinschätzung der Kosteneffektivität von derartigen Programmen und somit zu Fehlentscheidungen bezüglich der Finanzierung führen. Der Bericht verdeutlicht nicht zuletzt das breite Spektrum ökonomischer Auswirkungen elterlicher psychischer Erkrankungen und die Notwendigkeit, diesen Auswirkungen durch gezielte Prävention entgegenzusteuern. CS
AIHTA/AT 2021: Die ökonomische und gesellschaftliche Dimension elterlicher psychischer Erkrankungen. HTA-Projektbericht 142. https://eprints.aihta.at/1351/1/HTA-Projektbericht_Nr.142.pdf.