Lungenkarzinomscreening in Risikogruppen Systematische Review(s) zu Wirksamkeit und Nutzen (Teil 1) Kosten und Budgetfolgen (Teil 2)
Projektleitung: Claudia Wild (Teil 1), Ingrid Zechmeister-Koss (Teil 2)
Projektbearbeitung:
- Thomas Semlitsch (IAVEM) & EUnetHTA Partner (IQWIG, ggf. weitere) (Teil 1)
- Christan Böhler, Sarah Wolf (Teil 2)
Laufzeit: Mai 2020 – November 2020
Sprache: Englisch mit deutscher Zusammenfassung
Publikationen:
HTA Projektbericht Nr. 132a: http://eprints.aihta.at/1282/ (Teil 1)
HTA Projektbericht Nr. 132b: https://eprints.aihta.at/1283 (Teil2)
Hintergrund:
Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Österreich, sowie die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern und die zweithäufigste bei Frauen [1]. Zu den Risikofaktoren für Lungenkrebs zählen insbesondere das Rauchen, aber auch eine (berufliche) Schadstoffexposition (z.B. Radon, Asbest oder Feinstaub), sowie bereits bestehende Vorerkrankungen des Lungen- bzw. Bronchialsystems (z.B. chronische obstruktive Lungenerkrankung [COPD] oder Fibrose). Eine grobe Unterscheidung findet zwischen dem kleinzelligen Lungenkarzinom und dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom statt, wobei die kleinzellige Ausprägung zumeist einen deutlich schlechteren Verlauf nimmt.
Seit einer großen prospektiven Studie zum Screening von Hochrisikopersonen auf Lungenkarzinome (NELSON-Studie [2]) zum Ergebnis kommt, dass die Krebssterblichkeit um 20 % mittels Low-Dose-Computertomografie (LDCT) verringert werden könnte und daraufhin nun in den USA auch empfohlen wird, ist in Europa eine intensive Debatte, unter welchen Voraussetzungen ein Screening mit LDCT sinnvoll sein könnte, entstanden. Bereits vor Veröffentlichung der Ergebnisse der NELSON-Studie wurde national in Fachkreisen wie dem Onkologie-Beirat über eine Etablierung eines Lungenkarzinomscreenings in Risikogruppen diskutiert und die Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und der Österreichischen Röntgengesellschaft (ÖRG) haben dazu eine eigene Task Force eingerichtet. Kontrahenten halten der Interpretation der NELSON Studie entgegen, dass zwar in der Screening-Gruppe weniger Menschen mit der Diagnose Lungenkrebs verstarben, dafür mehr mit einer anderen Krebsdiagnose und es insgesamt keinen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit gab [3].
Abseits von der Interpretation der vorliegenden Evidenz sind bei der Implementierung eines Risikogruppen-Screening weitere Faktoren wesentlich: Screeningintervalle (1-, 2-jährig), Art der Organisation eines Screenings (opportunistisch vs. organisiert), Informationsstrategien zur Erreichung der Zielgruppe sowie eine Analyse der Kosten und Budgetfolgen, die nicht nur den Ressourcenverbrauch des Screening-Programms, sondern auch anschließende klinische Behandlungen berücksichtigen.
Projektziel und Forschungsfragen:
Es ist das Projektziel, zum einen die klinische Evidenz zum Lungenkarzinom-Screening für Risikogruppen zusammenzufassen und zum anderen einen Überblick über die Elemente relevanter Kosten, wie sie in Publikationen zu gesundheitsökonomischen Evaluationen berichtet werden, zu erhalten und damit eine Entscheidungsunterstützung für/gegen ein Lungenkarzinom Screening in Österreich zu erarbeiten.
Folgende Forschungsfragen sollen im Teil 1 beantwortet werden:
- FF1: Was ist der Nutzen / das Risiko eines Screenings auf Lungenkrebs mittels niedrig dosierter Computertomographie (LDCT) im Vergleich zu keinem Screening bei Personen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko?
- FF2: Was ist der Nutzen / das Risiko eines Screenings auf Lungenkrebs mit Biomarkern zusätzlich zu niedrig dosierter Computertomographie (LDCT) im Vergleich zum Screening mit LDCT allein bei Personen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko?
- FF3: Was ist der Nutzen / das Risiko eines jährlichen Screenings / systematischen Screenings auf Lungenkrebs im Vergleich zu einem Screening mit längeren Intervallen (2 Jahre oder länger) / einem opportunistischen Screening bei Personen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko?
- FF4: Was ist die beste Strategie, um Einzelpersonen in der Zielgruppe über die Teilnahme am Screening auf Lungenkrebs zu informieren und / oder deren Teilnahme zu maximieren?
Folgende Forschungsfragen sollen im Teil 2 beantwortet werden:
- FF5: Aus welchen wesentlichen Faktoren setzen sich die Kosten in verfügbaren gesundheitsökonomischen Evaluationen zum Thema Lungenkrebs-Screening zusammen?
- FF6: Welche Methoden werden in der Fachliteratur zur Schätzung der Kosten des Lungenkrebs-Screenings angewandt? Wie sind diese Methoden kritisch zu bewerten?
- FF7: Zu welchen Ergebnissen kommen die verfügbaren gesundheitsökonomischen Studien hinsichtlich der Kosten-Effektivität und den Budgetfolgen?
Methode (Teil 1):
Systematischer Review: Systematische Literaturrecherche (in mehreren Datenbanken), kritische Bewertung und –synthese
- FF1: Weiterver-/bearbeitung des IQWIG-Berichts (Fertigstellung Juni 2020).
- FF2 + FF3: Überblick über zusätzliche Informationen zu Risikopersonen, zu Screeningintervallen, Art der Organisation des Screenings aus zusätzlich gesuchten Quellen sowie aus den dem IQWIG Bericht zugrundeliegenden RCTs.
- FF4: Überblick zu Informationsstrategien zu Erreichung der Zielgruppen.
Methode (Teil 2):
Systematischer Review veröffentlichter internationaler Studien zur gesundheitsökonomi-schen Evaluation von Lungenkarzinom Screening: systematischer Literaturrecherche und –synthese
- FF5: Extraktion und Überblick über die Elemente relevanter Kosten, wie sie in gesundheitsökonomischen Evaluationen für das Lungenscreening berichtet werden.
- FF6: Extraktion und Überblick über die zentralen methodischen Charakteristika der Kostenerhebung in den verfügbaren Studien sowie kritische Bewertung der verfügbaren Studien.
- FF8: Extraktion und tabellarischer Zusammenfassung der Ergebnisse (Kosten-Effektivitätswerte und Schätzungen der Budgetfolgen) in internationaler Studien sowie deren (grobe) Diskussion, nicht jedoch Übertragung auf den österreichischen Kontext.
Ein direkter Transfer der internationalen Ergebnisse zu den Kosten-Effektivitätswerten oder Budgetfolgen auf Österreich findet im Rahmen des Projektes nicht statt, da die direkte Übertragbarkeit derartiger Ergebnisse in den österreichischen Gesundheitssystemkontext nicht möglich ist. Vielmehr sollen die Ergebnisse des Projektes als Basis für eine österreich-spezifische Kosten-Effektivitätsstudie bzw. Budgetfolgenanalyse dienen, die gegebenenfalls im Anschluss an dieses Projekt stattfinden kann.
Suchstrategien:
- Medline via Ovid, Embase, Cochrane (CENTRAL), INAHTA-Database, Centre for Research and Dissemination (CRD), EconLit, NHS Economic Evaluation Database
- Zeitperiode der Veröffentlichung: Teil 1: no limitation, Teil 2: ab 2005
- Handsuche in Referenzen (ggfs. mittels Scopus), Internetrecherche
Alle Prozessschritte (Literaturauswahl, Qualitätsbewertung, Extraktion) werden von zumindest zwei Wissenschafter*innen unabhängig voneinander durchgeführt.
Einschlusskriterien (PICO-Schema) Teil 1:
FF1: What is the benefit/risk of screening for lung cancer using low-dose chest computer tomography (LDCT) compared to no screening in individuals at elevated risk of lung cancer?
Description |
Project scope |
Population |
Adult persons (age 18 and older) without lung cancer (confirmed or suspected) at elevated risk of lung cancer
|
Intervention |
Screening for lung cancer using low-dose chest computer tomography (LDCT) |
Comparison |
No screening (usual care) or screening for lung cancer using other imaging technologies, especially chest x-ray |
Outcomes |
Timeframe: no limitation Study design: Limited only to RCTs (except radiation exposure) |
FF2: What is the benefit/risk of screening for lung cancer using biomarkers in addition to low-dose chest computer tomography (LDCT) compared to screening using LDCT alone in individuals at elevated risk of lung cancer?
Description |
Project scope |
Population |
Adult persons (age 18 and older) without lung cancer (confirmed or suspected) at elevated risk of lung cancer Risk factors: current or previous tobacco smoking, occupational toxins (e.g. radon, asbestos or fine particle exposure), COPD, lung fibrosis |
Intervention |
Screening for lung cancer using biomarkers in addition to low-dose chest computer tomography (LDCT) |
Comparison |
Screening for lung cancer using LDCT alone |
Outcomes |
Timeframe: no limitation Study design: Limited only to RCTs (except radiation exposure) |
FF3: What is the benefit/risk of annual screening/systematic screening for lung cancer compared to screening with longer intervals (2 years or longer) / opportunistic screening in individuals at elevated risk of lung cancer?
Description |
Project scope |
Population |
Adult persons (age 18 and older) without lung cancer (confirmed or suspected) at elevated risk of lung cancer Risk factors: current or previous tobacco smoking, occupational toxins (e.g. radon, asbestos or fine particle exposure), COPD, lung fibrosis |
Intervention |
|
Comparison |
a.1) Screening for lung cancer as recommended in guidelines with longer screening intervals (2 years or longer) in organized/systematic screening a.2) Screening for lung cancer as recommended in guidelines with longer screening intervals (2 years or longer) in opportunistic/unsystematic screening b.1) Annual screening for lung cancer as recommended in guidelines in organized/systematic screening b.2) Annual screening for lung cancer as recommended in guidelines in opportunistic/unsystematic screening |
Outcomes |
Study design: Limited only to RCTs (except radiation exposure) |
FF4: What is the best strategy to inform individuals in the target group about and/or to maximize participation in the screening for lung cancer?
Description |
Project scope |
Population |
Adult persons (age 18 and older) without lung cancer (confirmed or suspected) at elevated risk of lung cancer Risk factors: current or previous tobacco smoking, occupational toxins (e.g. radon, asbestos or fine particle exposure), COPD, lung fibrosis |
Intervention |
Specific information strategy for lung cancer screening (e.g. patient leaflets, TV/Radio commercials) |
Comparison |
Another specific information strategy for lung cancer screening or no specific information strategy for lung cancer screening |
Outcomes |
Timeframe: no limitation Study design: Limited only to RCTs |
Einschlusskriterien (PICO-Schema) Teil 2:
Population |
Personen ohne diagnostiziertes bzw. Verdacht auf Lungenkarzinom jedoch mit erhöhtem Risiko, z.B.:
|
Intervention |
Diverse Formen eines Lungenkrebs-Screenings (z.B. organisiert, opportunistisch, diverse Intervalle) mittels:
|
Kontrolle |
|
Ergebnisparameter |
|
Studientypen |
Gesundheitsökonomische Analysen (CMA, CEA, CUA, CBA) und Budget Impact Analysen |
Publikationszeitraum |
Ab 2005 |
Sprachen |
Deutsch/Englisch |
Abkürzungen: CBA – Cost benefit analysis, CEA – Cost effectiveness analysis, CMA – Cost minimization analysis, CUA – Cost utility analysis, HTA – Health Technology Assessment
Zeitplan/ Meilensteine:
Zeitperiode (Teil 1) |
Leistungen |
April 2020 |
Call for Collaboration in EUnetHTA, Scoping, Präzision der Fragestellung (PICO), Erstellung des Projektprotokolls |
Mai 2020 |
Zusammensetzung des EUnetHTA Teams, Präzision der Fragestellung (PICO), Erstellung des EUnetHTA Projektprotokolls |
Juni 2020 |
Systematische Literaturrecherche, Auswahl und Beschaffung der relevanten Literatur |
Juli-August 2020 |
Erstellung der Extraktionstabellen, Synthese und Bewertung der Evidenz |
September 2020 |
Verfassen des Berichts |
Oktober-November 2020 |
Interner und externer Review, Layout & Finalisierung, Berichtspublikation |
Zeitperiode (Teil 2) |
Leistungen |
Mai 2020 |
Scoping, Präzision der Fragestellung (PICO), Erstellung des Projektprotokolls |
Juni 2020 |
Systematische Literaturrecherche, Auswahl und Beschaffung der relevanten Literatur |
Juni-August 2020 |
Erstellung der Extraktionstabellen, Synthese und Bewertung der Evidenz |
September 2020 |
Verfassen des Berichts |
Oktober-November 2020 |
Interner und externer Review, Layout & Finalisierung, Berichtspublikation |
Referenzen:
[1] Statistik Austria (2020). Österreichisches Krebsregister (Stand:09.12.2019) und Todesursachenstatistik. Online verfügbar (abgerufen am 25.04.2020): https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/krebserkrankungen/index.html
[2] De Koning et al., Reduced Lung-Cancer Mortality with Volume CT Screening in a Randomized Trial, N Engl J Med 2020; 382:503-513
[3] Gigerenzer, G. http://www.rwi-essen.de/unstatistik/100/, Harding-Zentrum für Risikokompetenz