Nudges zur Optimierung des Verschreibungsverhaltens von Ärzten:innen

Projektleitung: Viktoria Hofer
Projektbearbeitung: Viktoria Hofer, Jule Anna Pleyer
Laufzeit: Mitte April – November 2025 (3 PM)
Sprache: Englisch (mit deutscher Zusammenfassung)
Hintergrund:
Im Gesundheitswesen hat sich der Druck zur Einhaltung klinischer und administrativer Richtlinien in den letzten Jahren erheblich verstärkt – eine Entwicklung, die das Ziel verfolgt, die Qualität der Versorgung der Patient:innen zu optimieren und gleichzeitig Kosten zu senken [1]. Zur Verbesserung der Qualität medizinischer Entscheidungsprozesse werden zunehmend Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften herangezogen [2, 3]. Besondere Aufmerksamkeit hat dabei das Konzept des "Nudging" erlangt [4], im Deutschen als "sanftes Anstupsen" bezeichnet. Nudges stellen gezielte Modifikationen der Entscheidungsumgebung dar, die Menschen behutsam in Richtung bestimmter Verhaltensweisen lenken sollen. Diese Modifikationen sind allerdings nicht abhängig von finanziellen/ökonomischen Anreizen, noch unterliegen sie irgendwelchen Geboten oder Verboten. Da Nudge-Interventionen typischerweise unkompliziert und kostengünstig sind, finden sie großen Anklang bei Gesundheitsmanager:innen und politischen Entscheidungsträger:innen.
Forschungsergebnisse aus diversen Bereichen wie Finanzmärkten, Bildungspolitik und dem Gesundheitssektor belegen die Effektivität von Nudges [5]. Der Forschungsschwerpunkt zu Nudging-Strategien im Gesundheitsbereich liegt noch vorwiegend auf patient:innenbezogenen Interventionen, wie etwa Impferinnerungen, verbesserten Malaria-Testverfahren und dem Selbstmanagement chronischer Erkrankungen. Parallel dazu wurden aber auch spezifische Nudging-Ansätze für medizinisches Fachpersonal entwickelt, die sowohl zur Steigerung der Leitlinienadhärenz als auch zur Verbesserung der Verschreibungspraxis beitragen sollen [5, 6].
Verschreibungsentscheidungen sind meist komplex und müssen oft unter Zeitdruck und Einfluss von Patient:innenerwartungen getroffen werden. Unter diesen Bedingungen können äußere Faktoren, die aus klinischer Perspektive möglicherweise nicht relevant wären, die Medikamentenverschreibung beeinflussen. Selbst erfahrene Mediziner:innen können unter solchen Umständen nicht evidenzbasierte Entscheidungen treffen, besonders in Bereichen mit erheblichen Unsicherheiten bezüglich Nutzen-Risiko-Profilen, wie beispielsweise bei der Opioidverschreibung [5]. In diesem Zusammenhang können gezielt entwickelte Nudging-Interventionen das Verschreibungsverhaltenbeeinflussen, indem sie die Entscheidungsarchitektur modifizieren, ohne dabei die fachliche Autonomie der Ärztinnen und Ärzte einzuschränken.
Projektziele:
Das Projekt zielt darauf ab, Nudging-Strategien im Gesundheitswesen, die das Verschreibungsverhalten von Ärzt:innen beeinflussen können, systematisch zu kategorisieren. Dabei sollen implementierte Ansätze aus der Fachliteratur erfasst und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit hinsichtlich Versorgungsqualität und ihres Systemnutzen evaluiert werden. Ein weiterer Fokus liegt auf der Analyse der Übertragbarkeit dieser Strategien in den Kontext des österreichischen Gesundheitssystems. Daraus ergeben sich folgende drei Forschungsfragen:
- Welche Nudges zur Optimierung des Verschreiberverhaltens wurden international bereits eingesetzt und evaluiert, und wie können sie kategorisiert werden?
- Wie wirksam und sicher sind die in der internationalen Literatur beschriebenen Nudges zur Optimierung des Verschreiberverhaltens?
3. Welche der international als wirksam und sicher identifizierten Nudges wären für eine Implementierung im österreichischen Gesundheitswesen geeignet? Welche Kriterien sind für eine erfolgreiche Umsetzung im österreichischen Kontext zu beachten?
Ziel dieser Studie ist es nicht, Implementierungsstrategien zu entwickeln oder eine Budget-Impact-Analyse durchzuführen.
Methoden:
Zur Beantwortung der Forschungsfragen kommen folgende Methoden zum Einsatz:
FF1 + FF2: Für die Beantwortung der ersten beiden Forschungsfragen wird zunächst eine manuelle Suche nach rezenten systematischen Reviews durchgeführt. Nach Auswahl einer rezenten systematischen Übersichtsarbeit mit hoher methodischer Qualität wird, basierend auf deren Suchstrategie, eine systematische Literatursuche in mehreren Datenbanken durchgeführt (Update-Suche), um relevante Primärstudien zu identifizieren. Nach Auswahl der Literatur werden die darin beschriebenen Nudging-Maßnahmen zur Verbesserung des ärztlichen Verschreibungsverhaltens kategorisiert, sowie die Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit in vorgefertigte Tabellen extrahiert und anschließend narrativ zusammengefasst. Für die ausgewählte Literatur wird eine Qualitätsbewertung mit geeignetem Tool, abhängig vom Studiendesign, durchgeführt.
FF3: Für die dritte Forschungsfrage werden jene Nudges, die sich in der zweiten Forschungsfrage als wirksam erwiesen haben, hinsichtlich ihrer potenziellen Umsetzbarkeit und Nützlichkeit im österreichischen Gesundheitssystem evaluiert. Kriterien, unterstützende und hemmende Faktoren für eine erfolgreiche Implementierung im österreichischen Kontext werden beschrieben. Diese Einschätzung könnte gegebenenfalls durch eine Befragung praktizierender Ärztinnen und Ärzte empirisch erhoben werden (Survey und qualitative Auswertung).
Alle Arbeitsschritte zur Beantwortung der drei Forschungsfragen (Literaturauswahl, Qualitätsbewertung, Datenextraktion und –synthese) werden im 4-Augenprinzip von den zwei Autorinnen (VH und JAP) durchgeführt.
PICOS-Tabelle:
Population |
Adressat*innen der Intervention, z. B. Hausärzt:innen, Fachärzt:innen |
Intervention |
Nudges (Anreize zur Verhaltensänderung)… …die das Verschreiberverhalten von medizinischem Personal optimieren können… … um die Qualität der Patientenversorgung zu optimieren und Kosten zu senken… …und international bereits implementiert sind. |
Kontrolle |
Standardverfahren (z.B. ökonomische Anreize, Verbote/Gebote) oder andere Komparatoren |
Outcomes |
Forschungsfrage 1:
Forschungsfrage 2:
Forschungsfrage 3:
|
Studiendesign |
Forschungsfrage 1 + 2:
Forschungsfrage 3:
|
Länder |
Europa, Nordamerika, Australien, Asien und Neuseeland |
Sprachen |
Englisch, Deutsch |
Zeitplan:
Zeitfenster |
Tasks |
April 2025 |
Scoping und Finalisierung des Projektprotokolls |
Mai 2025 |
|
Juni - Juli 2025 |
Datenextraktion und Qualitätsbewertung, ggf. Survey |
August 2025 |
Verschriftlichung |
September - Oktober 2025 |
Interner und externer Review |
November 2025 |
Layout & Veröffentlichung |
Referenzen:
[1] Nwafor O., Singh R., Collier C., DeLeon D., Osborne J. and DeYoung J. Effectiveness of nudges as a tool to promote adherence to guidelines in healthcare and their organizational implications: A systematic review. Social Science & Medicine. 2021;286:114321.
[2] Faria R., Barbieri M., Light K., Elliott R. A. and Sculpher M. The economics of medicines optimization: policy developments, remaining challenges and research priorities. British medical bulletin. 2014;111(1):45-61.
[3] Avorn J. The psychology of clinical decision making—implications for medication use. New England journal of medicine. 2018;378(8):689-691.
[4] Vlaev I., King D., Dolan P. and Darzi A. The theory and practice of “nudging”: changing health behaviors. Public Administration Review. 2016;76(4):550-561.
[5] Wolf A., Sant'Anna A. and Vilhelmsson A. Using nudges to promote clinical decision making of healthcare professionals: A scoping review. Prev Med. 2022;164:107320. Epub 20221023. DOI: 10.1016/j.ypmed.2022.107320.
[6] Hallett M. F., Kjær T. and Bjørnskov Pedersen L. The Use of Nudge Strategies in Improving Physicians’ Prescribing Behavior: A Systematic Review and Meta-analysis. Medical Decision Making. 2024;44(8):986-1011.