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Social Prescribing in der Primärversorgung: Ein Realist Review

Projektleitung: Julia Kern
Projektbearbeitung: Julia Kern, Romy Schönegger
Laufzeit: April – November 2025 (5,5 PM)
Sprache: Englisch (mit deutscher Zusammenfassung)
Hintergrund:
Die Primärversorgung fungiert als erste Kontaktstelle für Patient:nnen mit dem Gesundheitssystem. Neben der Erstversorgung gehören die Prävention, das Informieren der Patient:innen und die multiprofessionelle und integrierte Versorgung zu ihrem Aufgabenfeld [1]. Patient:innen kommen jedoch häufig auch mit nicht-medizinischen, aber gesundheitsrelevanten Anliegen zur Primärversorgung. Allerdings fehlt es in der Primärversorgung oft an Wissen und Zeit, um geeignete Interventionen anbieten zu können [2].
Ein Konzept, um die Belastung in der Primärversorgung zu reduzieren und ein ganzheitliches Gesundheitskonzept zu fördern, ist das Social Prescribing (SP). Bei SP werden Patient:innen mit gesundheitsrelevanten, aber nicht medizinischen Belangen, an eine:n Link-Worker:in vermittelt. Diese:r arbeitet mit den Patient:innen heraus, was die genauen Bedürfnisse des/der Patienten/in sind und verweist sie weiter an entsprechende vorhandene Angebote in der Umgebung. Dabei können die Angebote je nach Bedarf materielle und/oder soziale Bedürfnisse, sowie Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung adressieren. Über der Entlastung des Gesundheitssystems hinaus, soll SP einen verbesserten Zugang zu regionalen Einrichtungen für Patient:innen und gesundheitliche Chancengerechtigkeit fördern, wie auch ökonomische Nachhaltigkeit erzielen [3].
Social Prescribing (SP) ist eine komplexe Gesundheitsintervention. Die Komplexität einer Gesundheitsintervention steigt mit (1) der Anzahl der Komponenten, die Teil der Intervention sind, (2) der Variation des Verhaltens oder der Fähigkeiten, die für die Intervention erforderlich sind, (3) der Anzahl der Personengruppen, die an der Intervention beteiligt sind, und (4) dem Grad der Veränderung, der bei der Durchführung der Intervention erlaubt ist. Zusätzlich können die tatsächlichen Ergebnisse einer Intervention in Abhängigkeit von Kontextfaktoren variieren. Dazu gehört auch, dass sich Interventionsergebnisse und -kontexte mit zunehmender Erfahrung der Beteiligten mit der Intervention verändern können [4].
In Österreich wurde zwischen 2021 und 2024 SP im Rahmen von verschieden Fördercalls der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in insgesamt 24 Primärversorgungseinrichtungen implementiert. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass SP gut geeignet für multidisziplinäre Teams ist. Der Großteil der involvierten Patient:innen konnte vermittelt werden und fast alle würden SP weiterempfehlen [5]. Darüber hinaus wurde ein österreichisches Idealmodell definiert, welches ein gemeinsames Verständnis von SP in Österreich etabliert. Demnach verläuft der Prozess von SP in Österreich wie folgt [3, 6]:
1. Patient:in mit nicht medizinischen Bedürfnissen wird erkannt
2. Patient:in wird an eine:n Link-Worker:in vermittelt
3. Linkworking Beratung findet statt
4. Das Ergebnis wird an das Gesundheitsteam rückgemeldet und dokumentiert
5. Patient:in nimmt an regionalem Angebot teil
Ebenso wurden vier Kernmechanismen von SP definiert [3]:
- Sensibilisierung des Gesundheitspersonals
- Link-Working Beratungen
- Netzwerkmanagement
- Qualitätssicherung
Projektziele:
Ausgehend von den theoretischen und praktischen Vorarbeiten der GÖG zu SP in Österreich, soll das theoretische Modell hinter SP weiter ausgearbeitet werden. Mit empirischen Daten aus SP-Evaluationen wird ermittelt welche Ansätze von SP, für welche Zielgruppen, unter welchen Kontextbedingungen und auf welche Weise funktionieren. Es werden zwei Forschungsfragen (FF) beantwortet:
FF1 Was sind die theoretischen Wirkmechanismen von SP, ausgehend von dem österreichischen Idealmodell?
FF2 Welche Ergebnisse sind unter welchen Bedingungen, bei welchen Zielgruppen zu erwarten?
Nicht-Ziele:
- Es ist nicht ein Ziel des Berichtes zusammenzufassen, ob SP im Gesamten wirksam ist, d.h. es wird kein klassisches systematisches Review herausgearbeitet, vielmehr soll aufgedeckt werden, unter welchen Bedingungen welche Ergebnisse zu erwarten sind.
- Es wird kein alternativer Kontext für SP, abseits der Primärversorgung herausgearbeitet.
- Es wird kein neuer Prozess für Österreich definiert, sondern der bereits definierte Prozess sowie das vorgeschlagene Idealmodell der GÖG weiter ausgearbeitet, verfeinert und die einzelnen Aspekte mit Evidenz aus internationaler Literatur erweitert.
- Die Implementierung von SP in Österreich wird nicht evaluiert, jedoch werden die Implementierungserfahrungen in Österreich für die Theorieentwicklung und Herausarbeitung von Wirkmechanismen herangezogen.
Methoden:
Für die Bearbeitung der Fragestellung wird die Methode der „Realist Evidence Synthesis“ bzw. das Realist Review (RR) verwendet. Ein RR ist ein Ansatz zur Bewertung der Evidenz von komplexen sozialen Interventionen. Dabei werden die theoretischen und oftmals impliziten Wirkmechanismen einer Intervention explizit gemacht. Anstatt jedoch zu bewerten, ob eine Intervention prinzipiell effektiv ist oder nicht, wird herausgearbeitet wieso, für wen, in welchem Kontext und auf welche Weise sie funktioniert [7]. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sollen konkrete Handlungsvorschläge für verschiedene Umsetzungsszenarien liefern, um in Zukunft eine potenzielle flächendeckende Implementierung von SP in Österreich zu unterstützen.
Die Methodik des RR folgt einem iterativen Prozess: Ausgehend von einer Forschungsfrage wird zunächst eine erste Programmtheorie (Initial Programme Theory - IPT) entwickelt, die dann durch iterative Literatursuche und -auswahl überprüft und kontinuierlich verfeinert wird. Dabei wird nicht auf bestimmte Evidenzarten eingeschränkt, sondern sowohl quantitative wie auch qualitative Evidenz miteinbezogen. Die Qualität der Literatur wird dabei nach dessen Relevanz und Präzision bewertet. Die Daten werden extrahiert, kodiert und mittels sogenannter Context-Mechanism-Outcome-Configurations (CMOCs) analysiert, um Muster (Semi-Regularitäten) zu identifizieren. Das Ergebnis ist eine verfeinerte Programmtheorie, die aufzeigt, unter welchen Umständen und durch welche Mechanismen SP zu bestimmten Ergebnissen führt.
Vorläufige Datenextraktion:
Allgemeine Informationen |
Autor:innen, Veröffentlichungsjahr, Land |
Studiencharakteristika |
Studien Design, Stichprobengröße, Ergebnisse, Zielpopulation |
Intervention |
Beschreibung der Intervention, Intensität und Ablauf, Setting |
Prozessdetails |
Kommentare über Interventionstreue, Veränderungen durch Nutzer:innen |
Kontext |
Studienhintergrund |
Theorien |
Theorien über Wirkmechanismen, die den Erfolg/das Misslingen der Intervention betreffen |
Zeitplan:
Eine Realist Synthese ist ein iterativer Prozess, der Zeitplan dient als eine grobe Struktur, jedoch erfolgen die Schritte oftmals parallel, je nach neuen Erkenntnissen.
Zeitfenster |
Tasks |
April 2025 |
Scoping und Finalisierung des Projektprotokolls |
Mai 2025 |
|
Juni 2025 |
|
Juli – August 2025 |
Verschriftlichung |
September - Oktober 2025 |
Interner und externer Review |
November 2025 |
Layout & Veröffentlichung |
Referenzen:
[1] Franczukowska A., Krczal E. and Braun A. Primärversorgung in Österreich – Quo vadis? Zeitschrift für Allgemeinmedizin. 2020;96(11):467-471. DOI: 10.3238/zfa.2020.0467-0471
[2] Capper K. and Plunkett J. A very general practice. How much time do GPs spend on issues other than health? : 2015 [cited 17.04.2025]. Available from: https://www.citizensadvice.org.uk.cach3.com/Global/CitizensAdvice/Public%20services%20publications/CitizensAdvice_AVeryGeneralPractice_May2015.pdf.
[3] Rojatz D., Antosik J., Ecker S., Fenz L. and Haas S. Social Prescribing. Entwurf eines Idealmodells für Österreich. Vienna: 2023 [cited 07.04.2025]. Available from: https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3049/1/Idealmodell%20barrierefrei.pdf.
[4] Skivington K., Matthews L., Simpson S. A., Craig P., Baird J., Blazeby J. M., et al. Framework for the development and evaluation of complex interventions: gap analysis, workshop and consultation-informed update. 2021;25:57. DOI: 10.3310/hta25570.
[5] Kettl J., More-Hollerweger E., Miericke A. and Schöggl S. Social Prescribing in Österreich: Eine Wirkungsanalyse der aktuellen Umsetzung. Wien: 2024. Available from: https://research.wu.ac.at/ws/portalfiles/portal/69768996/NPO-CC_Social_Prescribing_Evaluation-Endbericht_2024_G_G.pdf.
[6] Rojatz D., Unger T., Ecker S., Fenz L., Haintz G. and Haas S. Handbuch Social Prescribing in der Primär- und pädiatrischen Versorgung. Wien: 2025 [cited 03.04.2025]. Available from: https://jasmin.goeg.at/id/eprint/4501/1/Handbuch%20Social%20Prescribing_bf.pdf.
[7] Pawson R., Greenhalgh T., Harvey G. and Walshe K. Realist synthesis: an introduction. University of Manchester, 2004.