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- Newsletter November 2024 | Nr. 232
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Strategien zur Reduzierung von Gewichtsdiskriminierung im Gesundheitswesen
Übergewicht und Adipositas sind wichtige Themen der öffentlichen Gesundheit. Laut Body-Mass-Index (BMI) gelten in Österreich etwa 35 % als übergewichtig und 17 % als adipös. Viele dieser Personen sind von Gewichtsstigmatisierung – der gesellschaftlichen Abwertung aufgrund des Körpergewichts – betroffen. Besonders im Gesundheitswesen ist Gewichtsstigmatisierung ein verbreitetes Problem: Mehr als die Hälfte des Personals haben Gewichtsvorurteile gegenüber Patient*innen; über 50 % der Patient*innen selbst fühlen sich diskriminiert. Diese Vorurteile können die Behandlungsqualität und Gesundheit negativ beeinflussen. In einem rezenten Bericht identifizierte das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) Empfehlungen zur Reduktion von Gewichtsstigmatisierung im Gesundheitswesen und analysierte die Wirksamkeit entsprechender Interventionen.
Es wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt und 13 Leitlinienpapiere, sowie 13 Übersichtsarbeiten zu den Empfehlungen, bzw. 30 Studien unterschiedlicher Studiendesigns für die Wirksamkeitsanalyse eingeschlossen. Die Wirksamkeitsergebnisse zeigten, dass Fortbildungen für Gesundheitspersonal und Studierende, insbesondere mehrtägige Angebote, am vielversprechendsten sind, um Vorurteile abzubauen. Außerdem können Rollenspiele bei Student*innen positive Effekte hinsichtlich Gewichtsstigmatisierung bewirken und Meditation für mehr Mitgefühl die Empathie für die Patient*innen stärken. Andere Maßnahmen, wie Videos oder Simulationen, zeigten weniger eindeutige Effekte. Bei Patient*innen mit Übergewicht oder Adipositas können Gruppenkurse bzw. unterstützte Selbsthilfekurse sowie informative Videos deren internalisierte Gewichtsvorurteile reduzieren.
Die Leitlinien empfehlen weitere Strategien: Auf individueller Ebene sollten Gesundheitspersonal und Studierende ihre eigenen Einstellungen zu Übergewicht und Adipositas hinterfragen und einen respektvollen Kommunikationsstil erlernen. Für Patient*innen sind Informationsveranstaltungen und das Teilen von Stigma-Erfahrungen wichtig. Darüber hinaus werden strukturelle Änderungen empfohlen – etwa die Gestaltung stigmafreier Räume und die Anpassung der Ausstattung. Auf regulatorischer Ebene wird eine stärkere öffentliche Aufklärung sowie die Aufnahme des Themas in Leitlinien und Antidiskriminierungsgesetze vorgeschlagen.
Die Studienlage umfasst vor allem Arbeiten aus den USA, demnach ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den österreichischen Kontext zu hinterfragen. Weitere Forschung ist nötig, um Prävalenz und ökonomische Auswirkungen von Gewichtsstigmatisierung in Österreich zu erfassen sowie bislang nicht evaluierte Interventionen zu untersuchen. Nichtsdestotrotz bieten die Ergebnisse einen Überblick zu Empfehlungen und Evidenz zur Reduzierung von Gewichtsstigmatisierung im Gesundheitswesen und können als Grundlage für die Entwicklung geeigneter Maßnahmen in Österreich dienen. Dabei sollten jedoch mögliche unbeabsichtigte Konsequenzen, wie z.B. Verstärkung von negativen Vorurteilen, sorgfältig bedacht werden. SW
AIHTA/ AT 2024: Strategien zur Reduktion von Gewichtsstigmatisierung bei Personen mit Übergewicht oder Adipositas im Gesundheitswesen. HTA-Projektbericht Nr.: 160. https://eprints.aihta.at/1547/